Die Bewohner der niedersächsischen Landeshauptstadt können sich ab nächster Woche besonders sicher fühlen: Die Bundeswehr trainiert bei der Übung „Hannover Shield“ zum ersten Mal die Luftverteidigung einer deutschen Großstadt von einem zivilen Flughafen aus. „Je näher man an der Stadt dran ist, umso besser kann man sie schützen“, erklärt Brigadegeneral Frank Gräfe und erläutert damit das Prinzip dieses Vorgehens.

Brigadegeneral Frank Gräfe erklärt in der Landespressekonferenz mit Anke Pörksen (links), Martina Thorausch und Martin Roll den Hintergrund der Übung „Hannover Shield“. | Foto: Link

Hintergrund der Luftoperation sind die jüngsten Spannungen mit Russland, die an der Nato-Ostgrenze bereits zu „Drohnen-Vorfällen“ in Rumänien geführt hätten. „Wir schützen gerade den Luftraum über der Slowakei mit Eurofightern und gehen jetzt auch noch nach Rumänien“, berichtete der Abteilungsleiter „Einsatz der Luftwaffe“ in der Landespressekonferenz. Aber nicht nur in Osteuropa will die Bundeswehr ihren Kernauftrag der „Landes- und Bündnisverteidigung“ intensivieren, sondern auch auf heimischen Boden. „Mit der Großübung Air Defender 23 haben wir bewiesen, dass wir in der Lage sind, jeden Quadratzentimeter des Nato-Territoriums zu schützen“, sagt Gräfe. Diesem „deutlichen Zeichen der Abschreckung“ nach außen soll mit „Hannover Shield“ nun ein Signal nach innen folgen. „Mit dieser Übung wird die ‚Zeitenwende‘ sichtbar“, sagt der Brigadegeneral.  

Eurofighter vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ trainieren als Quick Reaction Alert (QRA) im Norden von Deutschland. | Foto: Bundeswehr/Christian Timmig

„Hannover Shield“ beginnt am kommenden Montag mit der Verlegung von drei Eurofightern aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ zum Airport in Langenhagen. Bis Donnerstag sollen die Kampfjets von dort zu mindestens acht Übungsflügen in Zweierformation abheben, bei denen der Angriff gegnerischer Flugzeuge, feindlicher Drohnen oder eines tieffliegenden Marschflugkörpers abgewehrt werden soll. „Wir stützen uns dabei komplett auf die Infrastruktur des zivilen Flugplatzes“, sagt Gräfe. Eine zwanzigköpfige Bodencrew werde von der Zentrale der Flughafenfeuerwehr aus dafür sorgen, dass die Piloten trotzdem Zugriff auf die militärischen Systeme haben. Aus Rücksicht auf die hannoversche Zivilbevölkerung schraubt die Luftwaffe den Realitätsgrad der Übung allerdings etwas zurück. „Wir werden normal rausgehen ohne Nachbrenner und wir fliegen auch nicht mit Überschallgeschwindigkeit“, kündigt der Brigadegeneral an. Zudem werden die Eurofighter unbewaffnet sein und ihre Manöver auch nicht über der Landeshauptstadt, sondern über der Nordsee fliegen.  



Für den Ernstfall befinden sich jederzeit zwei Alarmrotten der Luftwaffe in Einsatzbereitschaft, die bei einer Bedrohungslage sofort mit Flammenstrahl und Überschallknall aufbrechen. Neben dem Geschwader 74 im bayerischen Neuburg an der Donau handelt es sich dabei auch um das an „Hannover Shield“ beteiligte Luftwaffengeschwader „Richthofen“, das eigentlich auf dem Nato-Flugplatz Wittmundhafen (Kreis Wittmund) zu Hause ist. Weil der Fliegerhorst derzeit für rund 440 Millionen Euro zum modernsten Militärflughafen der Bundesrepublik umgebaut wird, sind die Soldaten von Kommodore Björn Andersen voraussichtlich aber noch bis Anfang 2025 in Rostock-Laage stationiert.

Flughafen-Chef Martin Roll (links) und Brigadegeneral Frank Gräfe von der Luftwaffe stellen in der Landespressekonferenz die Übung „Hannover Shield“ vor. | Foto: Link

In Ostfriesland sind die Jagdflieger laut Gräfe jedoch strategisch günstiger positioniert. „Die Bedrohung aus dem Osten kommt oft über den Norden und die Nordsee. Da hat Wittmund die bessere Lage“, erläutert der Brigadegeneral.  Die Flugpassagiere in Hannover werden von der Übung nicht viel mitbekommen. „Der regelmäßige Flugverkehr wird ohne jede Einschränkung fortgeführt“, verspricht Flughafen-Geschäftsführer Prof. Martin Roll. Zwei zusätzliche Starts und Landungen könnten im trüben Monat November, der bei Urlaubsfliegern nicht gerade beliebt ist, problemlos dazwischengeschoben werden.

Zudem habe man am Hannover Airport, der von der Luftwaffe auch als Ausweichflughafen genutzt wird, Erfahrung mit Militärmaschinen. „Wir sehen auch jetzt schon regelmäßig A400M und Eurofighter bei uns am Standort“, sagt Roll. Die „hervorragende“ Zusammenarbeit ist laut Luftwaffen-General Gräfe auch einer der Gründe, warum ausgerechnet Hannover für die Übung ausgewählt wurde. Außerdem gehören für Roll und seine Mitarbeiter kurzfristig anberaumte Flüge zum Alltag dazu. „Wir sind einer der wichtigsten Standorte für Organtransporte und Patientenverlegungen – 24 Stunden am Tag“, sagt der Flughafen-Chef und freut sich auf die Übung: „Wir sehen es als unsere staatsbürgerliche Pflicht, die Bundeswehr nach Kräften zu unterstützen.“