Von Niklas Kleinwächter

Jetzt ist sie endlich da, die sogenannte „rote Gebietskulisse“ für Niedersachsen. Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) haben am Dienstag in Hannover die Landkarte vorgestellt, auf der in blassrosa die besonders nitratsensiblen und in grau die phosphatsensiblen Gebieten in Niedersachsen ausgewiesen werden. Umweltverbände und Landwirte haben lange auf diese Karte gewartet. Denn sie zeigt an, in welchen Gebieten die landwirtschaftlichen Betriebe in Zukunft ihre Arbeitsweise werden ändern müssen – sobald die dazugehörige Verordnung gültig sein wird.

Über den Dünger in der Landwirtschaft gelangt viel Nitrat ins Grundwasser – Foto: photoprojektrm

Konkreter Grund für diesen Schritt ist eine Klage der EU. Diese hatte angemahnt, dass hierzulande zu viele Nährstoffe in die Gewässer gelangen, ein Großteil davon kommt aus der Landwirtschaft. Erst im April hatte die Landwirtschaftskammer als zuständige Düngebehörde im jüngsten Nährstoffbericht erneut erklären müssen, dass durch intensiven Düngereinsatz zu viel Nitrat und Phosphat auf den Feldern in Niedersachsen verteilt wurde. Die Überschüsse sickern nach und nach ins Grundwasser und mindern so dessen Qualität.

Bereits 2016 wurden 51 der 123 Grundwasserkörper in Niedersachsen in einen „schlechten chemischen Zustand“ eingestuft. Deutschland verfehlt damit seit Jahren die Umweltziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie und muss bald mit erheblichen Strafzahlungen rechnen, wenn sich daran nicht doch noch etwas ändert. Einen Beitrag zur Verringerung des Nährstoffeintrags und damit zur Vermeidung der Strafzahlungen soll nun diese Kulisse der nitrat- und phosphatsensiblen Gebiete leisten.

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Die meisten anderen Bundesländer haben eine solche Karte schon längst vorgelegt und die Betriebe in den entsprechenden Gebieten mit besonderen Auflagen versehen. In Niedersachsen tat man sich aber besonders schwer mit diesem Schritt, denn nach früheren Berechnungen waren bis zu 60 Prozent der Landesfläche davon betroffen. Nun haben es das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium geschafft, in einem mehrstufigen Verfahren die betroffenen Gebiete weiter einzugrenzen – auch um die Belastung der Landwirtschaft abzumildern.

So ist es ihnen gelungen, die Fläche der „roten Gebiete“ um 30 Prozent zu verringern. Möglich wurde das durch eine Binnendifferenzierung, die den Ländern in der Düngeverordnung eingeräumt wird. Die beiden Ministerien haben also die Grundwasserkörper weiter aufgeteilt und die Nitratbelastung in den kleineren Teilgebieten neu bewertet. Hierzu wurden 1100 Grundwasser-Messstellen vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ausgewählt.

Weite Teile Niedersachsens betroffen

Aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommt nun Kritik an diesem Vorgehen. Landvolk-Vizepräsident Holger Hennies sagte am Dienstag, er könne noch nicht nachvollziehen, wie genau die roten Gebiete bestimmt wurden, da diese Gebiete größer seien als das Einzugsgebiet der herangezogenen Messstellen. Der FDP-Agrarpolitiker Hermann Grupe hält das gesamte Verfahren für unwissenschaftlich: „Alle Messungen der vergangenen Jahre haben ergeben, dass lediglich zwischen 15 und 19 Prozent der niedersächsischen Grundwasserbrunnen belastet sind. Dennoch ist seit Monaten die Rede davon, 60 Prozent des Grundwasserkörpers und 39 Prozent der Gebiete seien belastet.“ Die Grünen-Agrarpolitikerin Miriam Staudte hingegen meint, hier sei die Fläche kleingerechnet worden.

Die nitratsensiblen Gebiete sind rosa eingefärbt. – Quelle: Landwirtschaftsministerium

Auch wenn die Fläche verringert wurde, erstrecken sich die rosafarbenen Gebiete noch über weite Teile der Landkarte. Nur in den Landkreise Emden, Wilhelmshaven, Hameln-Pyrmont, Holzminden, Northeim, Göttingen und Goslar gibt es gar keine roten Gebiete. Insgesamt mehr als eine Million Hektar der landwirtschaftlich genutzten Fläche, also rund 39 Prozent, sind davon betroffen. Den weitaus kleineren Teil macht mit 35.000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche die grau eingefärbte Phosphat-Kulisse aus, die die Phosphateinträge in den Oberflächengewässern darstellt.

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Auf die Betriebe in den roten und grauen Gebieten kommen nun härtere Auflagen zu, wenn die neue Verordnung im November verabschiedet wird. Um die Nitratbelastung zu senken, müssen die Landwirte dann ihren Wirtschaftsdünger auf den Nährstoffgehalt hin untersuchen lassen, bevor sie ihn auf den Feldern verteilen. Wirtschaftsdünger oder Gärreste aus Biogasanlagen müssen die Landwirte dann innerhalb von einer Stunde auf den Feldern einarbeiten, bislang hatten sie dafür vier Stunden Zeit.

Außerdem müssen sie die Mindestlagerkapazität für flüssigen Wirtschaftsdünger und Gärreste von sechs auf sieben Monate ausweiten. In den grauen Gebieten darf zudem dann nur noch verringert Phosphor zur Düngung verwendet werden.

Landvolk fürchtet neue Vorgaben aus Brüssel und Berlin

Die Auflagen seien zu erfüllen und auch sinnvoll für den Gewässerschutz, sagt Landvolk-Vizepräsident Hennies. Aber sie seien auch sehr teuer. „Das wird für die Betriebe große Anstrengungen bedeuten, aber es ist machbar“, kommentiert er die Pläne der Landesregierung. Größere Sorgen bereiten ihm die härteren Auflagen aus Berlin und Brüssel, die mit der neuen Düngeverordnung im nächsten Jahr drohen.

Vor allem die geplante pauschale Verringerung der Düngemenge um 20 Prozent in den roten Gebieten hielte er für einen großen Fehler. Dadurch würde Humus im Erdboden abgebaut, die Pflanzen würden zu wenig Nährstoffe erhalten und die Nitratbelastung würde nicht verringert.

Ein solcher Schritt, den er als willkürlich bezeichnet, würde den Strukturwandel noch beschleunigen. Im schlimmsten Fall würde die neue Verordnung die Existenz von bis zu einem Fünftel der landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen bedeuten.


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In der Landesregierung hofft man nun offenbar, mit der roten Gebietskulisse weitere Verschärfungen aus Brüssel oder Berlin abwenden zu können.