David McAllister (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, hat sich sehr betrübt über die Stimmung in Großbritannien angesichts des zum Jahresende 2020 voll wirksamen Brexit geäußert. In einer Veranstaltung des Korps der Honorarkonsulen in Niedersachsen sagte McAllister am Dienstagabend in Hannover, er sei enttäuscht über die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson, weil er im Oktober 2019 zugesagte Vereinbarungen heute wieder in Frage stelle. Die Schotten, die mit großer Mehrheit in der EU bleiben wollten, seien „verbittert und sehr böse“ über die Entwicklung.

Der Brexit bereitet ihm Sorgen: David McAllister, EVP-Fraktion. – Foto: David McAllister

Spannend werde es mit Blick auf Nordirland, da der Sonderstatus Öffnungen für den EU-Handel bedeute. Es müsse zwingend eine Präsenz von EU-Behörden in Belfast geben – aber dies werde auf der irischen Insel sehr kritisch gesehen. Nicht wenige hätten Angst, dass eine Grenze zwischen Irland und Nordirland neu entstehen könne, verknüpft mit dem Wiederaufflammen alter Feindseligkeiten. McAllister glaubt gleichwohl, dass die Briten viele Handelsbeschränkungen am Ende nicht so streng handhaben würden wie bisher bekundet: „Johnson hat während der Corona-Zeit gemerkt, wie wichtig polnische Krankenschwestern für die Existenz des britischen Gesundheitssystems sind.“

Libyen könne „ein zweites Syrien werden“

Was die Einigung der EU-Regierungschefs auf den 750-Milliarden-Wiederaufbaufonds angeht, rechnet der CDU-Politiker mit einer Zustimmung des Parlaments. Das gelte aber nicht für den EU-Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre, der von den Regierungschefs gekürzt wurde und etwa nicht mehr ausreichend Geld für eine gemeinsame EU-Außen- und -Verteidigungspolitik vorsehe. In der Handelspolitik sei die EU schon eine Weltmacht, weil sie ihr eigenes Regelwerk streng durchsetze, aber in der Außenpolitik zeigten sich gravierende Schwächen: Einige Länder wie Polen oder Rumänien wollten „der beste Freund der USA sein“, in Libyen hätten Italien und Frankreich unterschiedliche Interessen, was die EU lähme und Türken wie Russen den Zugang öffnen könne. Libyen könne „ein zweites Syrien werden“.

Die EU solle ein „europäischer Pfeiler für die Nato“ sein, doch dazu müsse sie hier mehr Geld investieren. Auch den Chinesen gelinge es, sich einzelne EU-Länder als Partner herauszufischen – was die EU als ganzes schwäche. Kritisch sieht McAllister rückblickend die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU im Jahr 2007. Beide Länder seien bei der Korruptionsbekämpfung und der Stärkung der Demokratie nicht so weit gewesen, doch man habe „aus geostrategischen Gründen zwei Augen zugedrückt“. Dass Serbien noch EU-Mitglied werden könne, glaubt McAllister derzeit nicht – vor allem, weil die Grenzfrage zum Kosovo immer noch ungeklärt sei.