Damit auch in ländlichen Regionen kurze Wege zum Krankenhaus gewährleistet werden, sollten in Niedersachsen mehr Rettungshubschrauber eingesetzt werden. Das sagte Prof. Jonas Schreyögg von der Universität Hamburg in der jüngsten Sitzung der Enquetekommission zur medizinischen Versorgung in Niedersachsen. Das Kernproblem des ländlichen Raums sei eine im Vergleich zu urbanen Gebieten nachlassende Qualität in den Kliniken. „Wir haben nicht mehr gleichwertige Verhältnisse in Stadt und Land“, sagt Schreyögg.

Gesundheitsökonom Prof. Jonas Schreyögg: Mehr Rettungshubschrauber für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum – Foto: GettyImages/Chalabala; HCHE

Um die Qualität der medizinischen Versorgung überall sicherzustellen, habe man aktuell zwei Möglichkeiten, skizziert der Wissenschaftler: Entweder investiere man sehr viel Geld in alle bestehenden Kliniken. Oder man konzentriere sich auf ein paar ausgewählte Spezialkliniken. Damit die Patienten dort dann behandelt werden können, spiele der Transport in Zukunft eine sehr viel größere Rolle. Gerade im ländlichen Raum sieht Prof. Schreyögg deshalb verstärkt Helikopter im Einsatz. Er kann sich vorstellen, Stationen mit besonders gut ausgestatteten Rettungshubschraubern einrichten zu lassen. Diese wären allemal kostengünstiger zu betreiben als die kleinen, nicht ausgelasteten Krankenhäuser. In Vorpommern werde das schon so gehandhabt und auch für die medizinische Versorgung auf den Inseln spielten Hubschrauber eine immer größere Rolle, sagte der Experte. In Deutschland werde aber insgesamt noch zu wenig über Notflugrettung geredet.

Wir haben ein Problem mit der Basisversorgung, denn es gibt einfach viel, viel zu wenig Pflegepersonal. Die Infektionsrate steigt dadurch nachweislich rapide an.

Schreyögg wirbt dafür, die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen umzubauen, damit die Qualität der medizinischen Versorgung wieder besser werde. „Wir haben ein Problem mit der Basisversorgung, denn es gibt einfach viel, viel zu wenig Pflegepersonal. Die Infektionsrate steigt dadurch nachweislich rapide an“, sagte er. Je kleiner ein Krankenhaus sei, desto wahrscheinlicher sei es, dass ein Patient an den Folgen des Krankenhausaufenthalts verstirbt. Vor allem Krankenhäuser im ländlichen Raum mit nur 30 bis 80 Betten hätten Probleme damit, ausreichend Personal zu finden. Sie würden deshalb keine ausreichende Qualität aufweisen. Hinzu komme, dass komplexe Eingriffe dort nicht auf demselben Niveau durchgeführt werden können wie in größeren Kliniken mit mehr Routine. Die Bevölkerung wisse aber zu wenig über die mangelhafte Qualität des nächstgelegenen Krankenhauses – und treffe deshalb falsche Entscheidungen, warnt der Professor für Management im Gesundheitswesen. „Zugang wird oft mit Qualität gleichgesetzt.“ Die Qualität sei aber in den größeren Kliniken oft sehr viel besser und der längere Weg dorthin würde sich lohnen.

Wohnortnahe stationäre Versorgung heißt nicht, dass ein Eingriff wohnortnah stattfinden muss.

Die Debatte um den Umbau der Krankenhauslandschaft solle nach Ansicht von Schreyögg aber nicht auf Schließungen kleiner Kliniken reduziert werden. „Krankenhäuser zu schließen und dann nichts zu unternehmen, führt zu nichts. Dadurch reißen wir Lücken auf.“ Ein Negativbeispiel sei da Dänemark. Dort habe man bei der Zentralisierung der Krankenhäuser versäumt, die Anschlussbehandlung sicherzustellen. Prof. Schreyögg empfiehlt deshalb, sich an dem Vorgehen von England oder Frankreich zu orientieren. Die bestehenden Krankenhäuser sollten – anstatt geschlossen zu werden – zu sogenannten „kommunalen Gesundheitszentren“ umfunktioniert werden. Diese Gesundheitszentren sollen dann Fachärzte und Physiotherapeuten aber auch ein ambulantes OP-Zentrum vorhalten. In den Zentren würde die Nachsorge nach einer größeren Operation stattfinden können.

Für die Operation selbst müssten die Patienten dann aber zur jeweiligen Fachklinik reisen oder transportiert werden. „Wohnortnahe stationäre Versorgung heißt nicht, dass ein Eingriff wohnortnah stattfinden muss“, sagt Schreyögg. Das Know-how und die beste technische Ausstattung solle in Zukunft in den Kliniken der Ballungszentren vorhanden sein. In diesen sogenannten Integrierten Notfallzentren in den Großstädten soll dann ein breites Spektrum an komplexen Eingriffen möglich sein.

Im örtlichen Gesundheitszentrum könne aber weiterhin eine Notfallpraxis eine Versorgung rund um die Uhr gewährleisten, schlägt Schreyögg vor. Damit trage man dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung, die in weiten Teilen Angst davor habe, dass die Klinik in ihrer direkten Umgebung geschlossen wird. Außerdem könnte mittels der kommunalen Gesundheitszentren ein lokaler Arbeitgeber erhalten bleiben. Ein Konzept zur Kostenreduzierung sei dieser Vorschlag damit aber explizit nicht, sagt der Gesundheitsökonom.