Soll man die Flüchtlinge, die nach Niedersachsen kommen – stärker in jene ländlichen Gegenden lotsen, die noch genügend freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze haben? Ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion, der diese Absicht vertritt und sogar eine Steuerung über das Landesraumordnungsprogramm befürwortet, stieß gestern in einer Anhörung des Landtagsausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten auf ein überwiegend positives Echo. Von sehr guten Erfahrungen sprach der Bürgermeister der Gemeinde Schladen-Werla im Landkreis Wolfenbüttel, Andreas Memmert, der bisher 165 Asylbewerber aufgenommen hat und von der freundlichen Resonanz seiner Einwohnerschaft beeindruckt ist. „Wir haben hier viel Platz, eine gute alte Bausubstanz – aber vielen Eigentümern der Häuser fehlt das Geld für Sanierungen. Über Anreizsysteme könnte man mehr Zuwanderer hier ansiedeln“, sagt Memmert. Viele Handwerker im Ort würden keine Ausbildungskräfte mehr finden – und der Weg zu größeren Städten, in denen ein breiteres Spektrum an freien Arbeitsplätzen vorhanden ist, sei für Zuwanderer auch zu schaffen: In weniger als einer Stunde sei man in Salzgitter, Braunschweig, Wolfsburg oder Wernigerode. Es brauche aber vielleicht Anreize, möglicherweise über „Integrationsbegleiter“, um mehr Menschen zum Umzug nach Schladen-Werla zu bewegen. Die benachbarte Großstadt Salzgitter habe keine günstigen freien Wohnungen mehr, in Schladen-Werla aber gebe es genügend.

Auch Mareike Wulf von den Unternehmerverbänden hält Anreize für Flüchtlinge, in bestimmte Regionen mit einem guten Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu ziehen, für richtig und angemessen. In Goslar beispielsweise sei der Arbeits- und Ausbildungsmarkt viel entspannter als in der Großstadt Hannover. Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) wandte ein, in Goslar seien viele Arbeitsplätze aber gefahrgeneigt und nicht für jedermann geeignet. Wulf meinte, natürlich müsse die Qualifizierung Vorrang haben: „Erst muss die Bildung und Qualifizierung kommen, erst danach kann die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen.“ Dirk Toepffer (CDU) findet nun, dass man schon mit der Qualifizierung der Flüchtlinge dort beginnen könne, wo sie später eine Beschäftigung finden könnten – so in Gegenden mit viel leerem Wohnraum und Bedarf an Arbeitskräften. Maximilian Schmidt (SPD) meint, dass dieser Vorstoß zu spät komme, denn die Masse an Flüchtlingen sei ja schon hier. Johannes Grabbe vom DGB begrüßte den CDU-Vorstoß prinzipiell: „Es ist richtig, die Regionen attraktiv zu machen für Zuwanderer.“ Prof. Rainer Danielzyk, Professor für Raumforschung an den Leibniz-Universität Hannover, will den Fokus nicht auf die Dörfer richten, wo Arbeitsmarktperspektiven oft eben doch nicht vorhanden sind, sondern auf die Klein- und Mittelstädte zwischen 15.000 und 20.000 Einwohnern – deren Netz übrigens in Niedersachsen so engmaschig sei, dass in der Nähe fast jedes Dorfes eine solche Stadt gut erreichbar sei. Die Fremden seien in diesen Städten „weniger fremd als auf dem flachen Land“, aber das Phänomen der Großstadt, dass sich in bestimmten Bevölkerungsgruppen Parallelgesellschaften bilden und abkapseln, trete hier nicht so oft auf. Kai Weber vom Flüchtlingsrat unterstützte den Ruf nach einer stärkeren Steuerung ebenfalls: „Es ist allemal besser, die Flüchtlinge ziehen in leere Häuser in Goslar als in Container in der Großstadt.“