Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers hat in dieser Woche politische Gespräche in Brüssel geführt – und dabei unter anderem für eine Reform der Mehrwertsteuer-Vorschriften geworben. Die EU-Kommission, die mit ihren Richtlinien die Umsatzsteuerregeln der EU-Mitgliedsländer wesentlich bestimmt, möchte die Zahl der möglichen Ausnahmen vergrößern, indem der Umfang der ermäßigten Steuersätze vergrößert wird. „Das ist der falsche Weg“, sagte Hilbers nach seiner Rückkehr aus Brüssel dem Politikjournal Rundblick. „Ich werde dafür, die Zahl der Ausnahmen eher zu verringern – im Gegenzug könnte der allgemeine Mehrwertsteuersatz dann von 19 auf möglicherweise 18 Prozent abgesenkt werden, damit die Reform aufkommensneutral bleibt“, erklärte Hilbers. Niedersachsens Finanzminister stellt sich vor, dass Lebensmittel nach wie vor mit sieben Prozentpunkten ermäßigt besteuert werden sollen. Bei den weiteren Ausnahmen könne man die Vergünstigung seiner Vorstellung nach kürzen. Zur Liste der ermäßigten Produkte zählen Hunde- und Katzennahrung, Blumen, Bücher und Zeitungen, orthopädische Geräte und beispielsweise Maultiere (aber nicht Hausesel). Hilbers sagt, dass zwei Drittel der Kosten für die Ermäßigung auf Lebensmittel gingen, ein Drittel auf andere Produkte. Wenn man für das eine Drittel die Ausnahmen kürze, könne bundesweit ein Spielraum von etwa zehn Milliarden Euro entstehen. „Man könnte dann den Mehrwertsteuersatz von 19 auf vielleicht 18 Prozent absenken“, meint der Finanzminister. Er wünsche sich über diese Fragen eine „breite Diskussion“.


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In Brüssel hat Hilbers verschiedene Gespräche geführt, unter anderem mit dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger, mit Vertretern des „Europäischen Stabilitätsmechanismus“, Repräsentanten der EU-Bankenaufsicht, der EU-Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu aus Rumänien, mit dem Chefberater von EZB-Chef Mario Draghi, Roland Straub, und mit mehreren deutschen EU-Abgeordneten. Skepsis äußerte der CDU-Politiker aus Niedersachsen gegenüber Überlegungen in der EU, einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds für die EU-Banken zu schaffen. Das wäre erst möglich, meint Hilbers, wenn mit Hilfe der nationalen Instrumente die „faulen Kredite“ etwa in Südeuropa beiseite geräumt wurden. Das Beispiel Griechenland zeige, dass die bisherigen Wege durchaus Erfolg zeigten. Beim Stabilitätsmechanismus wirbt Hilbers dafür, ein Vetorecht der nationalen Parlamente, also auch des Bundestags, auf jeden Fall vorzusehen. Kritik übt Niedersachsens Finanzminister an den EU-Vorschriften für die Regulierung von Banken, die für kleine Sparkassen und Volksbanken ähnlich streng formuliert seien wie für Großbanken. „Die hohen Auflagen sind bei kleinen Banken zu stark, sie bedeuten viel Bürokratie und sollten gelockert werden“. Da die Sparkassen und Volksbanken über ihre eigenen Sicherungssysteme aufgefangen würden, die im Notfall viel weitreichender helfen als die EU-Einlagensicherung, könne man die Vorschriften für Sparkassen und Volksbanken auch lockern.

Gegenüber der EU-Regionalkommissarin Cretu hob Hilbers hervor, wie wichtig die Regionalförderung und die EU-Fonds etwa für die Landwirtschaft sind – und dass er als Minister die Ankündigung der Bundesregierung unterstütze, den deutschen EU-Beitrag zu erhöhen, damit beispielsweise für die Agrarförderung in Deutschland und für die anderen EU-Strukturfonds genügend Mittel bereitgestellt werden können. Der EU-Haushalt dürfte angesichts des Brexit ohnehin schrumpfen, dies solle mit höheren Beiträgen der verbliebenen EU-Mitglieder aufgefangen werden. Auch über die geplanten EU-Digitalsteuer für internationale Konzerne wie Google oder Apple hat Hilbers mit den Vertretern der EU-Kommission gesprochen. Er begrüßte die Absicht, warnte aber davor, mit einer vorübergehenden Orientierung der Abgabe am Umsatz das Verbot der doppelten Besteuerung zu verletzen. Die schwer zu beantwortende Frage, wo die Wertschöpfung stattfindet und die Steuer ansetzen muss, dürfe nicht aus dem Auge verloren werden, sagte Hilbers.