Im Umgang mit dem Wolf bevorzugt die rot-grüne Landesregierung eher die Förderung von Schutzmaßnahmen für Weidetiere statt eines restriktiven Vorgehens gegen den Beutegreifer. Allerdings ist das im laufenden Landeshaushalt für den Herdenschutz vorgesehene Geld für dieses Jahr bereits vollständig ausgegeben worden, wie Umweltminister Christian Meyer (Grüne) am Donnerstag im Plenum des niedersächsischen Landtags einräumen musste.

„Die CDU-Regierungsbeteiligung hat zu massiven Kürzungen geführt. Es gibt weniger Geld und wir werden das ändern“, sagt Umweltminister Christian Meyer (Grüne). | Screenshot/Plenar-TV

Förderbescheide seien zwar in der Theorie bewilligt, praktisch verzögere sich derzeit aber die Auszahlung der Mittel an die betroffenen Betriebe, heißt es. Der Umweltminister beschwichtigt derweil: „Es wird keinen Förderstopp geben“, versicherte Meyer in einer von der CDU-Fraktion beantragten „aktuellen Stunde“ im Landtag. „Es werden Rissschäden umgehend erstattet, es werden beim Herdenschutz weitere Anträge genehmigt.“ Durch Umschichtungen im Haushalt wolle man die außerplanmäßige Lücke beseitigen.

Aber wie konnte es zum aktuellen Engpass kommen? Während im Haushalt 2022 für Herdenschutz und Nutztierrisse 4,8 Millionen Euro vorgesehen waren, seien es für 2023 nur 3,1 Millionen Euro, erklärte das Umweltministerium. In der mittelfristigen Finanzplanung der Vorgängerregierung sei zudem noch eine weitere Kürzung um weitere zwei Millionen Euro vorgesehen. Die CDU-Fraktion wirft der Landesregierung nun vor, in ihrem Nachtragshaushalt keine Aufstockung der Mittel vorgenommen zu haben, obwohl man den Engpass im Ministerium hätte früh erkennen können. Den Ball wollte Meyer zwar zurückspielen, schließlich hätte auch die CDU keinen entsprechenden Antrag eingebracht. Doch diese Kritik verfing nicht: Schließlich habe der Minister weder im Umwelt-, noch im Agrarausschuss die Abgeordneten darüber informiert, dass das Geld knapp wird, sagte CDU-Agrarpolitiker Marco Mohrmann.

„Reden und Tun sind in dieser Regierung meilenweit voneinander entfernt. Bringen Sie die Situation bei den Herdenschutz-Mitteln schnell in Ordnung“, fordert Marco Mohrmann. | Screenshot/Plentar-TV

Mohrmann fordert von der Landesregierung derweil, eine aktive Bejagung des Wolfes rasch zu ermöglichen, und verweist darauf, dass sogar Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wiederholt erklärt habe, der Schutzstatus des Wolfes sei zu hoch und wenn es nach ihm ginge, sollte es viel mehr Abschüsse geben. „Wir haben in Niedersachsen 40 Rudel, das sind über 500 Tiere und damit mehr als in Norwegen und Schweden zusammen“, sagte Mohrmann. „Die Situation für Weidetierhalter ist in vielen Bereichen Niedersachsens eine Katastrophe.“

Dem Umweltminister warf er nun vor, er hantiere mit Zahlen aus unterschiedlichen Quartalen, um einen statistischen Rückgang der Wolfsrisse zu suggerieren. „Das verursacht Politikverdrossenheit, man fühlt sich hinter die Fichte geführt“, sagte Mohrmann. Den Vorwurf, Politikverdrossenheit zu schüren, gab Julia Retzlaff von der SPD direkt an die Christdemokraten zurück. „Die vermeintlich einfachen Lösungen, die die CDU nicht müde wird, zu erklären, gibt es nicht“, sagte sie und forderte, nicht mit den Emotionen der Tierhalter zu spielen.

„Spielen Sie nicht mit den Emotionen der Tierhaltenden. Das bringt uns nicht voran“, sagt Julia Retzlaff (SPD). | Screenshot/Plenar-TV

Ganz einfach ist es in der Tat nicht, eine Bejagung des Wolfes rechtlich möglich zu machen. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, sich bei der Bundesregierung und der EU für ein „europarechtskonformes regional-differenziertes Bestandsmanagement“ einzusetzen. Minister Meyer beschrieb das angestrebte Konzept als ein „lernendes, praxistaugliches System, das ein Eingreifen ermöglicht, wo trotz Herdenschutzmaßnahmen Nutztierrisse auftreten“, dort sollten Entnahmen „zeitlich und räumlich eingegrenzt“ erlaubt sein.

„Es muss möglich sein, in Deutschland in einzelnen Regionen festzustellen, dass die Wolfspopulation zu groß ist, damit dann ein aktives Wolfsmanagement greifen kann“, beschrieb die SPD-Politikerin Retzlaff die Pläne von Rot-Grün. Doch dafür brauche man zuerst Einigkeit innerhalb Deutschlands und die habe es lange Zeit nicht gegeben, führte sie weiter aus. Inzwischen ändere sich das aber, weil zunehmend mehr Länder vor demselben Wolfsproblem stünden wie Niedersachsen oder Brandenburg.

Kann der Erhaltungszustand früher festgestellt werden?

Einen Schritt näher ist der Umweltminister diesem Ziel vielleicht dadurch gekommen, dass sich die Umweltministerkonferenz dafür ausgesprochen hat, den Schutzstatus des Wolfes früher als ursprünglich geplant überprüfen zu lassen. Eigentlich steht eine Neubewertung des „günstigen Erhaltungszustandes“ gemäß FFH-Richtlinie der EU erst 2025 an. Ob es angesichts des Aufwands einer solchen naturschutzrechtlichen Überprüfung allerdings möglich ist, den Zeitplan jetzt noch vorzuziehen, bleibt abzuwarten.

Zur Vorsicht ermahnte Anne Kura, Fraktionsvorsitzende und Naturschutzpolitikerin der Grünen-Landtagsfraktion: „Änderungen am Artenschutz müssen mit Bedacht vorgenommen werden.“ Skepsis kann aus Sicht der CDU aufkommen, wenn man nach Berlin blickt. Wie Mohrmann zitierte, stellt sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gegenüber der EU gegen eine Lockerung des Artenschutzes – angesichts der „globalen Biodiversitätskrise“.

„Herr Meyer, ich sage Ihnen mal, wie man einen Problemwolf definiert: Der hat vorne spitze Zähne und hinten einen Schwanz“, erklärt Alfred Dannenberg (AfD). | Screenshot/Plenar-TV

„Die Wolfspolitik dieser Landesregierung scheitert komplett“, urteilte unterdessen der AfD-Agrarpolitiker Alfred Dannenberg. Er schließt sich der Forderung der CDU nach einem aktiven Wolfsmanagement an und betonte die inhaltliche Übereinstimmung der beiden Parteien in diesem Punkt.


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Auf kommunaler Ebene erlebe man zudem noch viel mehr Einigkeit: Im Landkreis Uelzen hätten beispielsweise alle Fraktionen von der AfD bis zu den Grünen eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die die EU neben anderem dazu auffordert, den Schutzstatus des Wolfes in Deutschland unverzüglich und künftig jährlich sowie nach Regionen differenziert zu überprüfen und dem Wolf den Schutzstatus einer gefährdeten Art zu entziehen.