Bisher kämpfen sich bundesweit viele Gesundheitsämter mit vielen Excel-Tabellen und unterschiedlichen kleineren Softwarelösungen durch die Corona-Krise. Eine umfassendere Software aus Niedersachsen namens „Sormas“, entwickelt vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, erleichtert einigen Ämtern schon die Arbeit, aber landes- beziehungsweise bundesweit kann sie bisher nicht genutzt werden.

Wie schnell breitet sich das Virus aus? eine Software soll helfen, den Überblick zu behalten. – Foto: Orbon Alija/GettyImages

Ein Grund dafür ist auch die Frage der Zuständigkeiten. In dem System werden Daten von Corona-Infizierten und deren Kontakten gesammelt. Sie wären dann, wenn es entsprechend freigeschaltet wird, über Landkreisgrenzen hinweg einsehbar, was angesichts aktueller Regelungen auf der kommunalen Ebene nur schwer möglich ist. Das Helmholtz-Zentrum plädiert deshalb dafür, dass das Land sich einschaltet. Lägen die Daten auf einem Server des Landes, wäre es demnach für Landkreise auch leichter möglich, Daten untereinander auszutauschen.


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In Niedersachsen hat man  schon gute Erfahrungen mit dem System gemacht, das viele auch unter dem Begriff Kontaktpersonen-Management zusammenfassen. Derzeit arbeiten die Gesundheitsämter Goslar, Hameln, Leer und Cloppenburg bereits damit. Im Kreis Goslar heißt es, man könne durch das System Symptomverläufe sowohl erkrankter als auch ansteckungsverdächtiger Menschen übersichtlich und nachvollziehbar erfassen. Vor allem die Zuordnung zu verschiedenen Sachbearbeitern in der Behörde und die Abstimmung mit den zuständigen Ärzten werde erleichtert.

Althusmann will sie bundesweit, Reimann bremst allerdings

Eine landesweite Nutzung des Systems wird in den niedersächsischen Ministerien mit unterschiedlichem Nachdruck verfolgt. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann will unbedingt digitale Instrumente bei der Bekämpfung der Pandemie stärker nutzen. „Deshalb befürworte ich ausdrücklich die Einführung eines bundesweiten Kontaktpersonen-Managements für alle deutschen Gesundheitsbehörden“, sagt Althusmann dem Rundblick. Mit „Sormas“ gebe es bereits ein erprobtes System, das in einer bisher überschaubaren Zahl von Gesundheitsämtern eingesetzt werde. „Um das ganze Potenzial der Anwendung ausschöpfen zu können, müsste ‚Sormas‘ als zentrale Datenbanklösung in möglichst vielen Bundesländern laufen, idealerweise in ganz Deutschland“, fordert Althusmann.

Aktuell sind wir in einem engen Austausch mit den kommunalen Gesundheitsbehörden und dem Helmholtz-Zentrum, ob ‚Sormas‘ in Niedersachsen weiter ausgebaut werden kann.

Im Sozialministerium formuliert man es deutlich vorsichtiger. Auch dort ist man überzeugt, dass die Software dabei helfen kann, einfacher als bisher einen noch besseren Überblick über das Infektionsgeschehen zu bekommen. Gesundheitsministerin Carola Reimann spricht aber nicht konkret von einer landes- und erst recht nicht von einer bundesweiten Nutzung. „Aktuell sind wir in einem engen Austausch mit den kommunalen Gesundheitsbehörden und dem Helmholtz-Zentrum, ob ‚Sormas‘ in Niedersachsen weiter ausgebaut werden kann“, sagt Reimann auf Rundblick-Nachfrage.

Grenzübergreifende Vergleichbarkeit wäre möglich

Der Vorteil einer bundesweiten Nutzung läge Experten zufolge nicht nur in einer generellen Arbeitserleichterung für alle Gesundheitsämter. Es wäre auch jederzeit eine grenzübergreifende Vergleichbarkeit möglich. So könnte man im Kreis Osnabrück sehr schnell einen Überblick über die Lage im benachbarten Kreis Steinfurt oder in Münster gewinnen. Im Kreis Harburg könnte man die Situation in Hamburg im Blick behalten. Auch länderübergreifende Kontakte bei Infizierten wären so besser nachzuverfolgen. Hätte ein Infizierter aus Göttingen Kontakt zu drei Personen aus München gehabt, könnte das Gesundheitsamt in München diese Information automatisch im System finden.

Ursprünglich für Ebola entwickelt

Ursprünglich war die Software im Zuge einer Ebola-Epidemie auf dem afrikanischen Kontinent entwickelt worden, um in Ausbruchsgebieten einen Überblick über die infizierten Personen zu bekommen. In Deutschland, aber auch in anderen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz, arbeiten Regionen inzwischen mit einer auf das Corona-Virus angepassten Version. Häufig wird von einer App gesprochen, und in der Tat wurde „Sormas“ in Afrika aufgrund der dortigen Strukturen auf Smartphones und Tablets benutzt.

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Hier in Deutschland geht es allerdings um ein System, das die Gesundheitsämter auf ihren Computern nutzen können. Die Vorstellung, dass Daten von Smartphone-Nutzern oder intelligenten Uhren am Handgelenk in das System kommen, ist aber noch weit von der Realität entfernt. Noch immer müssen die Mitarbeiter die Daten per Hand in das System eingeben. Wer ist erkrankt? Wie verläuft die Erkrankung? Was sagt das Labor? Welche Kontaktpersonen gibt es? Was bisher in Excel-Tabellen eingetragen wurde, kann auch im „Sormas“-System eingegeben und erfasst werden.

Vorteil Nummer 1: Es gibt einen sehr klaren Überblick und das Geschehen vor Ort und ist für die Mitarbeiter der Ämter eine klare Arbeitserleichterung. Vorteil Nummer 2: Die Grafiken zu Kontaktpersonen ermöglichen einen kleinen Blick in die Zukunft. Denn aus ihnen wird sehr deutlich, ob in den nächsten zwei Wochen nach einem Ausbruch ein möglicherweise größeres Infektionsgeschehen zu erwarten ist. Statt bei politischen Entscheidungen wie bisher mit dem Zahlenmaterial aus den vergangenen zwei Wochen arbeiten zu müssen, könnte man mit „Sormas“ einfacher einen kleinen Blick in das mögliche Infektionsrisiko der kommenden Tage werfen.