Künftig gehen Niedersachsens Polizisten besser gerüstet in Auseinandersetzungen mit Chaoten oder bewaffneten Angreifern: Innenminister Boris Pistorius hat am Montag auf dem Gelände der Zentralen Polizeidirektion die neuen Teile der Schutzausrüstung vorgeführt bekommen. Darunter sind ein nunmehr ausklappbarer Schlagstock, verbesserte Sicherheitshandschuhe, schusssichere Westen für die Streifenwagenbesatzung, sowie Helme mit abziehbaren Folien auf den Visieren. Letztere erwiesen sich besonders am vorvergangenen Wochenende beim G20-Gipfel als wertvoll, denn dort wurden die Beamten von Randalierern auch mit Farbe bespritzt. „Der Vorteil bei den neuen Helmen: Ist das Visier mit Farbe verklebt, zieht man einfach eine Schicht Folie ab und kann wieder sehen, ohne das gesamte schützende Visier abnehmen zu müssen“, erklärt ein Polizist.

Ein Polizist zeigt das neue Visier, bei dem man eine Folie abziehen kann. Foto:Christian

Etwa 33 Millionen Euro pro Jahr will die Landesregierung jährlich in neue Ausrüstung für die Polizei investieren, fünf Millionen mehr als noch 2015. „Zur Stärkung der inneren Sicherheit müssen und wollen wir die im vergangenen Jahr begonnene Ausstattungsinitiative weiterführen“, sagt Innenminister Pistorius. Im vergangenen Jahr bekamen die Beamten als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris und Brüssel sowie die Terrordrohung beim Fußballländerspiel in Hannover zunächst neue Waffen und Westen. Auch unter den neuen Ausstattungsteilen sind Gegenstände, die die Beamten bei Begegnungen mit hochgerüsteten Angreifern besser schützen sollen.

In der Polizeiinspektion Hannover-Ost werden derzeit die sogenannten First-Response-Helme getestet, die verhindern sollen, dass Beamte per Kopfschuss verletzt oder getötet werden können. „Wir hoffen, dass wir die Helme bald flächendeckend einführen können“, sagt Pistorius. Denn momentan halten die Helme der Einsatz- und Streifenpolizisten einen Beschuss aus großkalibrigen Waffen nicht aus.

Die First-Response-Helme sollen den Polizisten gegen Schüsse aus großkalibrigen Waffen schützen. Foto: Christian

Doch das Innenministerium hat dieses Mal nicht nur in den Ausnahmezustand investiert. Ein ausklappbarer Schlagstock etwa soll die tägliche Arbeit auf der Straße erleichtern, indem er bequemer am Gürtel befestigt und leichter gezogen werden kann. Das Ministerium rechnet mit 1,5 Millionen Euro, die die die Ausrüstung aller Beamten mit den neuen Schlagstöcken kosten wird.

Beamte stellen eine Szene nach, bei der der neue Schlagstock zum Einsatz kommt. Foto: Christian

Schon im Vorfeld des Termins hatte die neue Ausrüstung für die Polizei Schlagzeilen gemacht, allerdings als Panne. Das Ministerium hatte für die Waffe MP5 1200 neue Zielfernrohre gekauft – die aber teilweise nicht auf die Maschinenpistolen passten. Das sei allerdings einkalkuliert gewesen, sagte Pistorius nun. Denn die Waffe wird seit rund 40 Jahren von Polizisten genutzt und immer wieder nachgeordert. Allerdings hat der Hersteller Heckler & Koch in diesen Jahren immer wieder neue Modelle auf den Markt gebracht – teilweise ohne Vorrichtung für ein Zielfernrohr. „Als dann das Laserfernrohr angeboten wurde, haben wir uns natürlich dafür entschieden, wohl wissend, dass wir nicht alle Waffen umrüsten werden können“, sagt der Innenminister. Wie viele MP5 dafür nicht geeignet sind, wusste man vorher jedoch nicht. Denn vor einiger Zeit, als ein zentrales Register für sämtliche Ausstattungsgegenstände angelegt wurde, war der Einfachheit halber dasselbe Baujahr für alle MP5 angegeben worden. Daher musste nun händisch untersucht werden, wie viele Pistolen nicht zum Fernrohr passten. „Die Zahl liegt im dreistelligen Bereich“, sagte ein Vertreter des Landespolizeipräsidiums.

Bis heute fehlen in vielen Streifenwagen noch die versprochenen Tablet-Computer. Foto: Christian

Der Innenexperte der FDP-Fraktion, Jan-Christoph Oetjen, kritisierte dennoch, durch die Bestellung sei „Chaos im Innenministerium“. Außerdem warf er Pistorius vor, die digitale Aufrüstung bei den Einsatzfahrzeugen der Polizei komplett zu vernachlässigen. „Die Beamten warten nach wie vor auf die notwendige Modernisierungsoffensive mit Tablets“, sagte Oetjen.