Die Digitalisierung soll nach dem Willen der Landesregierung an den Hochschulen eine deutlich größere Rolle spielen. SPD und CDU im Landtag wollen deshalb unter anderem so genannte Digitalisierungsprofessuren fördern. Die Landeshochschulkonferenz (LHK) sieht darin große Chancen, warnt aber zugleich vor einer Unterfinanzierung.

„Das Programm wird scheitern, wenn die Bemessung der Mittel zu gering ist“, sagte Professor Wolfgang-Uwe Friedrich, Präsident der Stiftung Universität Hildesheim und  Vorsitzender der LHK, am Montag in einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses des Landtages. Friedrich hält 50 Professuren in einem ersten Schritt für realistisch. Er mahnte aber auch, man bekomme eine solche Professur „nicht zum Billigtarif“.

Bereits jetzt gebe es in Niedersachsen zu wenig Ressourcen, um im Wettbewerb wirklich konkurrenzfähig zu sein. Als Beispiel nannte Friedrich zwei prämierte Professoren, von denen einer das Land Richtung München verlassen habe, den anderen ziehe es nach Bochum. „Mit guten Wissenschaftlern gibt es geringe Chancen bei Bleibeverhandlungen“, so der LHK-Vorsitzende.

Das Programm wird scheitern, wenn die Bemessung der Mittel zu gering ist.

Professor Wolfgang-Uwe Friedrich, Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz

Professor Andreas Rausch von der TU Clausthal forderte die Politik zu einer langfristigen Finanzierung der neuen Stellen auf, um finanzielle Kannibalisierungseffekte an den Hochschulen zu verhindern. Zugleich schlug er in der Anhörung vor, wie in Bayern Nachwuchsforschergruppen zu fördern. „Statt ein kurzes Strohfeuer mit angeworbenen Wissenschaftlern aus anderen Ländern erzeugt man damit eine deutlich stärkere Nachhaltigkeit“, so Rausch.

„Es ist ohnehin sehr schwierig, gute Leute zu finden. Und es ist noch schwieriger, schlechte Professoren loszuwerden.“ In Bayern gibt es nach einem Wettbewerb eine Förderung für bis zu zehn wissenschaftliche Nachwuchsgruppen. Sie bekommen über eine Laufzeit von fünf Jahren jeweils bis zu eine viertel Million Euro pro Jahr.

Viele Informatiker können sich gar nicht vorstellen, dass sie etwas mit dem Thema Pflege zu tun haben könnten.

Professor Barbara Schwarze, Hochschule Osnabrück

In der Anhörung betonten die Vertreter der Wissenschaft sowohl die große Bedeutung der Interdisziplinarität als auch der Anwendungsorientierung. Interdisziplinäre Kooperationen müssten gefördert werden, sagte Heidemarie Hanekop vom Soziologischen Forschungsinstitut an der Universität Göttingen. „Die Fächer müssen interdisziplinär weiterentwickelt werden. Das kann man nicht einfach verordnen.“

Die neuen Digitalprofessoren müssten der „missing link“ in der Vernetzung werden, meinte Professor Barbara Schwarze von der Hochschule Osnabrück. „Wir haben noch ein sehr stereotypisches Denken. Viele Informatiker können sich gar nicht vorstellen, dass sie etwas mit dem Thema Pflege zu tun haben könnten.“

Professor Alexander Schmehmann, Vizepräsident der Hochschule Osnabrück, plädierte dafür, den Fachkräftemangel damit die Anwendungsorientierung im Auge zu behalten. Der Zusammenhang zwischen neuen Spitzenforschungsprofessuren und der Behebung des Fachkräftemangels sei, vorsichtig gesagt, schwach. „Wir müssen auch kurzfristig agieren, um den Fachkräftebedarf der mittelständischen technologieorientierten Unternehmen, zu decken. Die Unternehmen brauchen Mitarbeiter, die eine Digitalisierungskompetenz aus ihrem Studium, heraus mitbringen.“

Schmehmann erhofft sich mittelfristig auch eine größere Attraktivität mancher Studiengänge. Denn gerade im Bereich der Informatik gebe es derzeit bei den Studenten kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem. „Gerade in den Informatikstudiengängen haben wir überproportional viele Studienanfänger mit einer schwachen schulischen Eingangsvoraussetzung.“ Im Bereich der Medieninformatik habe die Hälfte der Anfänger eine schlechtere Abiturnote als 3,0. Das führe auch zu weniger Studienerfolgen. „Unsere leistungsfähigsten Schulabgänger meiden zum Teil die MINT-Studiengänge“, so Schmehmann. Deshalb müsse es durch mehr Attraktivität auch darum gehen, ein anderes Klientel zu gewinnen.