Dass die Konjunktur 2018 gebrummt hat wie selten zuvor, war schon seit Monaten klar. Wie stark das aber geschah, wird im vollen Umfang erst jetzt deutlich. Regelmäßig im Frühjahr stellt das Finanzministerium einen „Haushaltsabschluss“ für das Vorjahr fest – es wird also ermittelt, wieviel Geld denn zusätzlich zu den erwarteten Steuereinnahmen in die Kasse geflossen ist. Und das sind gewaltige Summen, nämlich mehr als 2,5 Milliarden Euro.

Finanzminister Hilbers und Ministerpräsident Weil stellen ihren Haushaltsabschluss vor. Foto: kw.

Dieses Geld soll, wie Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) gestern nach der Kabinettssitzung mitteilten, in der Folge dann so aufgegliedert werden: Um 686 Millionen Euro wird erstens der Altschuldenbestand Niedersachsens, der sich auf rund 61,3 Milliarden Euro beläuft, zurückgefahren. Zweitens wird eine Milliarde Euro, die 2018 als Bußgeld von Volkswagen eingenommen wurde, entsprechend den Beschlüssen des Kabinetts von Juni verwendet – also für Digitalisierung, Investitionen in Krankenhäuser, für die Uni-Kliniken und die Sportstättensanierung. Drittens werden 814 Millionen Euro für verschiedene Vorhaben ausgegeben – der dickste Brocken sind 400 Millionen für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, 60 Millionen Euro für Kindergarten-Investitionen, 78 Millionen für die Liegenschaften des Landes und allein 50 Millionen Euro für eine unter Zuwanderung und Strukturproblemen besonders leidende Kommune, nämlich die kreisfreie Stadt Salzgitter. 100 Millionen Euro werden in die „Landesversorgungsrücklage“ gesteckt, also vorläufig erst einmal reserviert für späteren Pensionskosten.


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Umgehend haben die Vorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen, Johanne Modder (SPD) und Dirk Toepffer (CDU), die Mitteilungen von Weil und Hilbers begrüßt. Das heißt, die finanziellen Schwerpunkte der Landesregierung werden auch von der Mehrheit im Parlament getragen. Was aber verbirgt sich dahinter im Einzelnen?

Wohnraumförderung: „Die nächsten Jahre werden finanzpolitisch anspruchsvoller werden“, erklärte Weil in seiner Stellungnahme. Gerade aus der SPD war in den vergangenen Wochen verstärkt der Wunsch vorgetragen worden, für 40.000 neue Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 Geld zur Verfügung zu stellen. Es kann um Zuschüsse für Wohnungsbauunternehmen gehen oder auch um Tilgungsnachlässe. Das Ziel sei, so betonten Weil und Hilbers, das Angebot an preisgünstigem Wohnraum zu verbessern, obwohl sich eine Zinsbeihilfe bei den gegenwärtigen Marktbedingungen nicht lohne. „Wenn wir die Nileg als landeseigene Gesellschaft noch hätten, würden wir sie jetzt nicht verkaufen“, meinte Weil. Der Neugründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft sieht er aber als nicht notwendig an, es gebe genügend kommunale und öffentlich-rechtliche Partner. Eine Enteignung von Bauflächen oder Wohngebäuden lehnen Ministerpräsident und Finanzminister strikt ab. „Das Geld, das man dann für eine Entschädigung zahlen müsste, wäre nicht mehr für die Bauförderung vorhanden“, betont Hilbers.

Salzgitter-Hilfe: Seit langem leidet die Stadt Salzgitter unter dem Zuzug vieler Migranten in die vielen leeren und kostengünstigen, aber auch maroden Wohnungen. Damit wachsen Sozialausgaben und die Anforderungen an die Integration der Menschen, auch vieler junger Leute. „Anders als in Wilhelmshaven, wo sich der Jade-Weser-Port gut entwickelt und die Chance auf ein LNG-Terminal besteht, hat Salzgitter den Strukturwandel erst noch vor sich“, sagte Weil. Gut möglich sei, mit dem Geld etwa den Abriss alter maroder Häuser zu bezahlen. Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) erklärte, das Geld solle „zum Ankauf, zum Abriss und zur Neuentwicklung sogenannter ,Schrottimmobilien‘ zweckgebunden“ sein. Schon derzeit kassiert die Stadt Geld aus dem Integrationsfonds für Städte mit besonderem Bedarf, zudem dürfen Flüchtlinge nicht mehr in die Stadt ziehen, da wegen des strakten Trends der Zuwanderung im Herbst 2017 die städtischen Hilfs-, Betreuungs- und Bildungsangebote extrem überlastet waren. Im Oktober 2018 hat Klingebiel für Salzgitter eine auf fünf Jahre begrenzte Hilfe von 160 Millionen Euro beantragt, je zur Hälfte für das Wohnungsangebot und für die Flüchtlingsintegration. Was die Wohnungen angeht, ist nun etwas geschehen. Weil sagte auf Nachfrage, er erwarte jetzt „ein überzeugendes Konzept der Stadt Salzgitter“: „Aus wirtschaftlicher Hinsicht ist die Stadt in der Lage, aus eigener Kraft voranzukommen.“

Landes-Liegenschaften und Kindergärten: Auch in die Grundstücke und Gebäude des Landes will die Landesregierung Geld stecken. Es gehe darum, vom Land angemieetete Liegenschaften zu erwerben, abgängige Gebäude zu sanieren oder Behörden effektiver unterzubringen, erklärte Finanzminister Hilbers. Die 60 Millionen Euro, die zusätzlich für Kindergarten-Investitionen aufgebracht werden sollen, sind ein Entgegenkommen des Landes an die Kommunalverbände. Viele von ihnen hatten geklagt, dass mit Einführung der Gebührenfreiheit ein Ansturm auf die Kindergartenplätze stattgefunden habe – viele Eltern hätten ihre Kinder angemeldet, andere hätten ihre Betreuungszeiten ausgeweitet, weil dieses Angebot ja jetzt kostenlos ist. Die Folge davon ist vielerorts der Mehrbedarf an Kindergärten in vielen Kommunen. Außerdem wird ein Investitionsbedarf in den Krippen gesehen. Dieser Teil, wie auch die Salzgitter-Hilfe und die Investitionen im Liegenschaftsfonds, soll aber erst 2020 angepackt werden. In diesem Jahr will man sich Zeit zur Entwicklung der entsprechenden Konzepte nehmen. (kw)