Von Isabel Christian

Frauenquote ja oder nein? Was muss sich am Bild des Politikers ändern? Und welche Anforderungen darf politisches Engagement haben, damit Frauen wie die SPD-Politikerin Kathrin Wahlmann nicht ihr Mandat niederlegen müssen, weil sie Politik und Familie einfach nicht mehr in Einklang bekommen? Die fünf Frauen, die gestern bei der Diskussion zum Weltfrauentag im Landtag das Wort hatten, waren sich zwar in der Sache nicht immer einig, wohl aber darin, dass sich etwas grundlegend ändern muss, wenn der Frauenanteil in den politischen Gremien – allen voran dem Landtag – wieder steigen soll. Als einen Schritt in diese Richtung ist der Empfang selbst zu werten. Denn mit Gabriele Andretta hat der Landtag zum ersten Mal eine Präsidentin. Und zum ersten Mal haben sich die Türen des Landtags am 8. März für Frauen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen geöffnet. Sie sollten zusammenkommen und über das reden, was der tatsächlichen Gleichberechtigung der Frauen noch im Weg steht. Gekommen waren unter anderem die SPD-Bundestagsabgeordneten Yasmin Fahimi und Caren Marks, Europaministerin Birgit Honé und zahlreiche führende Frauen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Sport.

In ihrer Begrüßungsansprache hatte Andretta schon deutlich gemacht, was sich ihrer Meinung nach geschehen muss. „Wir müssen uns eingestehen, dass die bisherigen Förder- und Mentoringprogramme für Frauen sowie freiwillige Quoten nicht das erreichen, was wir uns eigentlich erhofft haben“, sagte sie. „Deshalb sollten wir den Mut haben und über gesetzliche Änderungen nachdenken.“ Andretta ist Anhängerin des Parité-Gesetzes, das in Frankreich gilt. Es zwingt die Parteien, ihre Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. In Niedersachsen gab es bereits mehrere öffentlich ausgesprochene Anregungen, das Parité-Gesetz in der hiesigen Rechtsordnung zu verankern, bisher fanden sie aber keine Mehrheiten.

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Ob es Frauenquoten geben soll oder nicht, darüber waren sich anschließend auch die Teilnehmerinnen der Debatte uneins. Grünen-Fraktionschefin Anja Piel unterstrich die Quote als wertvoll, weil durch sie sichergestellt sei, dass Themen aus männlicher und aus weiblicher Perspektive rundum beleuchtet würden. AfD-Fraktionschefin Dana Guth hingegen lehnte eine Frauenquote grundsätzlich ab, weil sich die Personen durchsetzen sollten, die die beste Leistung bringen. „Ich bin stolz, dass ich es ganz ohne Quote in diese Position geschafft habe“, sagte sie. Statt auf eine Quote oder Förderung zu bauen, sollten Frauen viel eher den Mut haben, sich selbst durchzukämpfen. Dafür erntete Guth so manches ungläubige Kopfschütteln von den Zuhörerinnen im Saal.

Auch Piel wollte das nicht unkommentiert lassen. „Eine Quote macht den Weg zwar etwas leichter, aber man muss trotzdem Leistung bringen“, sagte sie. Sie habe sich ihren Posten als Fraktionsvorsitzende auch hart erarbeiten müssen. Bei den Grünen gebe es zwar Hilfsmittel wie die quotierte Doppelspitze. „Aber wenn man da keine Gegenkandidatin hat, dann bringt man offensichtlich eine Leistung, mit der alle zufrieden sind.“ Silke Lesemann, Abgeordnete für die SPD, trug eine persönliche Erfahrung bei, bei der all ihre Leistungsbereitschaft nichts genutzt habe. „Ich habe vorher in der Wissenschaft gearbeitet und mich nach meiner Promotion auf eine Stelle beworben. Zu der Zeit war mein Sohn noch klein. Die Professorin, die die Auswahl zwischen mir und einem männlichen Bewerber hatte, begründete ihre Absage an mich damit, dass ich ihr nicht darlegen könne, wie ich meinen Sohn in der Arbeitszeit betreut bekäme.“

Das Bild von Politikern muss sich ändern

Damit sprach Lesemann einen Punkt an, der aus Sicht der Politikerinnen abseits der Quote erfüllt sein muss, wenn man mehr Frauen für politische Arbeit gewinnen will.  Der politische Betrieb an sich müsse sich ändern und familienfreundlicher werden. „Ich lebe zwar auf einer Art der Insel der Glückseligen, weil mein täglicher Weg in den Landtag kurz ist, Hannover Ganztagsschulen hat und Kindergärten, die bis 17 Uhr geöffnet sind“, sagte die FDP-Abgeordnete Sylvia Bruns. Doch abseits von Hannover sehe das ganz anders aus, und das könne politisches Engagement zerstören, wie die Entscheidung von Kathrin Wahlmann aus Hasbergen bei Osnabrück gezeigt habe. Politiker dürften nicht länger wahrgenommen werden als Menschen, die rund um die Uhr der Sache dienten. „Parteipolitik am Sonntag ist ein No-Go und abendliche Sitzungen müssen viel ergebnisorientierter sein, da darf nicht nur rumgequasselt werden“, sagte Lesemann.

Männer müssen Frauen stärker fördern

„Die Strukturen müssen viel flexibler werden, das ist entscheidend, um auch junge Frauen für ein politisches Amt zu gewinnen“, sagte Mareike Wulf, die für die CDU an der Debatte teilnahm. Eine echte Quote hält sie nicht für nötig, wohl aber eine Sensibilisierung der Führungskräfte. „Die Männer an der Spitze müssen Frauen viel stärker fördern, das ist Teil ihrer Führungsaufgabe“, sagte Wulf. Sie selbst habe sich auch im Berufsleben bewusst bei Unternehmen beworben, von denen sie wusste, dass Frauen dort gefördert würden. „Dazu kann ich jeder jungen Frau nur raten.“