Braucht die Autoindustrie nach der Corona-Krise Schwung durch eine Wiederauflage der Abwrackprämie? Dazu gehen die Meinungen in Politik und Wirtschaft auseinander. Während Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil der Prämie aufgeschlossen gegenübersteht, warnt der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall vor zu hohen Erwartungen. Die Landtagsopposition sowie Nord/LB-Analyst Frank Schwope äußern Zweifel an der Maßnahme.


Lesen Sie auch:

Bernschneider: Mittelständler in Corona-Krise nicht vergessen

Die Bauindustrie warnt: „Ein Baustopp wäre verheerend“


Vor mehr als zehn Jahren hatte die Prämie den Staat nach der Finanzkrise insgesamt fünf Milliarden Euro gekostet. Rund zwei Millionen alte Autos landeten in der Schrottpresse, der Begriff „Abwrackprämie“ wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache sogar zum Wort des Jahres 2009 gewählt. Allerdings profitierten bei weitem nicht nur die deutschen Unternehmen. Gerade die Importeure galten als die eigentlichen Gewinner der Prämie. Marken wie Dacia oder Hyundai starteten bei den Verkäufen in dieser Zeit in Deutschland durch.  Zudem sahen Experten ist der Retrospektive keinen dauerhaften Effekt. Nach Auslaufen der Prämie brach der Neuwagenmarkt wie erwartet zunächst einmal ein.

Weil plädiert für nachhaltige Version der Abwrackprämie

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, zugleich Aufsichtsratsmitglied des VW-Konzerns, hält dennoch eine Neuauflage einer solchen Prämie dennoch für sinnvoll, diesmal allerdings in einer nachhaltigeren Version. Vor allem der Umstieg auf umweltfreundliche Antriebe könne damit wesentlich beschleunigt und die Automobilindustrie im Strukturwandel unterstützt werden, sagte Weil.

Damit sei allerdings keine reine Elektroautoprämie gemeint, erklärte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Dienstag in der Landespressekonferenz. Möglich könnte demnach auch sein, die Prämie denjenigen zu gewähren, die ihr aktuelles Fahrzeug gegen ein emissionsärmeres Auto eintauschten.

Der Glaube, man könne mit Kaufprämien ausschließlich für Elektrofahrzeuge nennenswert etwas bewegen, könnte sich als Trugschluss erweisen. Am Ende ist die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge entscheidend.

Der Verband Niedersachsenmetall begrüßt die Idee der Prämie zwar, mahnt aber zugleich, man dürfe keine ähnlich starken Effekte wie im Jahr 2009 erwarten.  „Im Unterschied zu damals ist der Fahrzeugbestand durch die vorangegangenen Rabattaktionen der vergangenen zwei Jahre verhältnismäßig jung und auch die durchschnittliche Haltbarkeit der Fahrzeuge ist mit über zehn Jahren so ausgeprägt wie nie zuvor“, erklärt Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Er warnt auch vor einer reinen E-Auto-Prämie. Wenn es einen erneuten Kaufpreiszuschuss geben sollte, müsse dieser unabhängig von der Antriebsform gezahlt werden. „Der Glaube, man könne mit Kaufprämien ausschließlich für Elektrofahrzeuge nennenswert etwas bewegen, könnte sich als Trugschluss erweisen. Am Ende ist die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge entscheidend“, so Schmidt.

FDP: Strafzahlungen für den CO2-Flottenausstoß aussetzen

Dem stimmt FDP-Fraktionsvize Jörg Bode zu. „Die E-Auto-Prämie haben wir ja schon, bisher ohne besonders großen Erfolg“, so Bode im Rundblick-Gespräch. Daher könne man skeptisch sein, ob sich der Erfolg einstelle, wenn die Prämie an der Stelle weiter erhöht werde. Der FDP-Politiker hält es für sinnvoller, die Strafzahlungen für den CO2-Flottenausstoß erst einmal auszusetzen. Hier fließe in einer Zeit Cash nach Brüssel, in der die Unternehmen das Geld dringend benötigten, um zu überleben.

Keinem ist damit gedient, die Automobilindustrie durch Milliarden-Strafzahlungen vor die Wand fahren zu lassen.

Bei Niedersachsenmetall heißt es, die Strafzahlungen seien „nichts anderes als reiner Entzug von Liquidität“. „Keinem ist damit gedient, die Automobilindustrie durch Milliarden-Strafzahlungen vor die Wand fahren zu lassen. Damit werden sowohl Hersteller als auch die zahlreichen Zulieferer in ihrer Existenz gefährdet“, sagt Volker Schmidt. Die Folgen für Niedersachsen könnten deutlich spürbar sein. 60 Prozent aller Industriearbeitsplätze im Land sind dem Verband zufolge vom Auto abhängig.

Nord/LB-Analyst: Besser wäre Helikoptergeld für alle

Frank Schwope, Analyst bei der Nord/LB, weist allerdings darauf hin, dass ein Entgegenkommen Brüssels bei den CO2-Strafzahlungen zwar eine Teilentlastung für die Autokonzerne darstelle. Nicht direkt profitieren würden davon allerdings die vielen vor allem kleineren Zulieferer, die die Unterstützung sehr viel dringender benötigten. Einer neuen Abwrackprämie steht er aus Fairnessgründen skeptisch gegenüber. Von der Corona-Krise seien schließlich alle Branchen im Land betroffen, nicht nur die Autoindustrie. „Da wäre ein sogenanntes Helikoptergeld für alle Bürger die bessere Alternative. Dann könne jeder Bürger selbst entscheiden, was er abwracken möchte.“

Ein Vorschlag, mit dem die Grünen im Landtag vermutlich besser leben könnten als mit einer Abwrackprämie. „Steuergeld in rückständige Verbrennungsmotoren und fossile Energien fördern klimaschädlichen Konsum und sind Fehlinvestitionen“, meint Grünen-Wirtschaftspolitiker Detlev Schulz-Hendel. Statt einer Prämie für Neuwagen fordert er Förderprogramme, mit denen zum Beispiel Handwerk oder Taxigewerbe beim Umstieg auf alternative Antriebsformen wie E-Mobilität unterstützt werden können.