Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hat am Mittwoch gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer den neuen „Nährstoffbericht“ vorgelegt – und von einer alarmierenden Situation gesprochen. Da die Stickstoff- und Phosphormengen, die vorwiegend als Gülle anfallen, vor allem im Westen Niedersachsens vielerorts die Grenzwerte überschreiten, plant Otte-Kinast besondere Auflagen in „Risikogebieten“. Diese sollen bis spätestens Jahresende in Kraft treten, über die Details will sie sich mit Umweltminister Olaf Lies (SPD) abstimmen. Laut Bundes-Düngeverordnung kann das Land für solche Zonen unter 14 möglichen Varianten Auflagen für die Landwirte auswählen: Dazu zählen strengere Bodenproben, vermehrte Kontrollen der Düngung, Wasseruntersuchungen oder auch die Verpflichtung, die überschüssige Gülle in Auffangbehältern zu lagern. „Was genau wir wo vorgeben, müssen wir noch beraten“, sagte Otte-Kinast.

Vor allem im Westen wird zuviel gedüngt

Der „Nährstoffbericht“ beschreibt die Menge der Gülle und des Tierdungs, gemessen wurde die Zeit zwischen Juli 2016 und Juli 2017. Festgestellt wurden 59,3 Millionen Tonnen an Dung und Gärresten, die vor allem aus der Schweine-, Rinder- und Geflügelhaltung kommen. Das sind 660.000 Tonnen mehr als bei der letzten Messung 2015/16, und dies liegt vor allem an der Regelung in der neuen bundesweit geltenden Düngeverordnung, die auch die Gärreste aus Biogasanlagen zwingend einbezieht, das sind landesweit 19,7 Millionen Tonnen.

Im aktuellen Bericht wurde ausgewertet, wohin die Gülle derzeit gebracht wird. Aus dem Raum Weser-Ems, in dem wegen der dortigen intensiven Tierhaltung besonders viele Rückstände anfallen, werden jährlich 3 Millionen Tonnen Gülle exportiert – 1,1 Millionen in andere Bundesländer, 483.000 nach Südniedersachsen und der Rest in den Osten und Nordosten des Landes.

Auf den Ackerflächen im Süden Niedersachsens werden Dünger benötigt, hier aber kommt noch sehr häufig Kunstdünger zum Einsatz – für viele Bauern ist er einfacher verfügbar und auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmt. Um zehn Prozent auf 300.000 Tonnen ist der Absatz von künstlichem Mineraldünger angestiegen. Gerhard Schwetje von der Landwirtschaftskammer sagte, dass organischer Dünger viel besser sei, daher sollten die Regionen im Osten und Süden des Landes noch stärker als bisher die überschüssige Gülle aus Weser-Ems aufnehmen. Dies sei zum Nutzen aller.

Ein solcher Sinneswandel wird noch aus dem anderen Grund immer dringlicher: Vor allem im Westen des Landes wird nach dem aktuellen Bericht über Bedarf gedüngt, so geraten rund 68.000 Tonnen Stickstoff zu viel auf die Felder. Untersuchungen zeigen schon heute, dass die Gewässergüte landesweit beeinträchtigt ist (jede zweite Gütemessstelle zeigt beim Grundwasser eine überhöhte Nitratkonzentration an, nur zwei Prozent der Oberflächengewässer erreichen die EU-Ziele).

Was die Düngung anbelangt, wird die Stickstoff-Obergrenze von 170 Kilogramm je Hektar im Kreis Leer gerade erreicht, in sieben weiteren Kreisen klar überschritten (Emsland, Cloppenburg, Grafschaft Bentheim, Rotenburg, Vechta, Oldenburg und Ammerland). Auch beim Phosphor fallen vier Kreise aus dem Rahmen (Grafschaft Bentheim, Emsland, Cloppenburg und Vechta). Wenn der niedrigere Grenzwert ab 2023 gilt, kommen noch Oldenburg, Rotenburg und Verden mit überhöhten Konzentrationen hinzu.

Zögerliche Haltung der Baugenehmigungsbehörden

Mit der neuen Düngeverordnung soll bezweckt werden, dass im Herbst keine Gülle mehr auf die Felder kommt – sie würde dann versickern und nicht von den Pflanzen aufgenommen werden. Das bedeutet nun, dass Landwirte sich auf das Frühjahr konzentrieren und verstärkt Gülle-Auffangbehälter bauen müssen. Wie Schwetje sagt, scheitern solche Vorhaben oft an der zögernden Haltung der kommunalen Baugenehmigungsbehörden.  „Manche Bauern warten schon seit zwei Jahren auf ein Zeichen der Behörde – und es tut sich nichts“, fügt Otte-Kinast hinzu. Sie will mit Lies, der jetzt auch für Bauen zuständig ist, über Möglichkeiten der Beschleunigung reden.

Die Behälter müssen nicht neben Tierställen stehen, erklärte Schwetje, „sondern neben den Weizen-, Rüben- und Kartoffelackern“, also in den Ackerbauregionen. Eine finanzielle Förderung für Bauern, die solche Behälter bauen wollen, hatte Otte-Kinast für den Etat 2019 beantragt, ist aber bisher nicht auf Widerhall beim Finanzminister gestoßen. „Es ist für mich schlichtweg nicht möglich, für diesen Zweck an anderer Stelle meines Etats zu kürzen“, erklärte die Agrarministerin. Auf die Frage, ob sie nicht noch viel mehr tun und womöglich gar die Massentierhaltung in Weser-Ems beschränken müsse, sagte die CDU-Politikerin: „Die Auflagen können im Einzelfall auch dazu führen, dass ein Landwirt seinen Tierbestand verringern muss.“