Länger als eine Woche haben sie ausgeharrt, nun lösen die Bauern ihr Protestcamp zwischen Umwelt- und Agrarministerium in Hannover auf. Am Dienstagvormittag kam überraschend die Mitteilung aus den beiden Ministerien, dass man sich mit den Vertretern der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV) auf einen Kompromiss verständigt habe. In einem gemeinsamen Positionspapier haben Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD) fünf Zusagen an die Landwirte festgeschrieben. Im Kern geht es darum, die Fläche der im Zuge der aktualisierten Düngeverordnung ausgerufenen „roten Gebiete“, in denen eine zu hohe Nitratkonzentration im Grundwasser gemessen wurde, künftig noch ein weiteres Mal zu verringern. Dies soll erreicht werden, indem „schnellstmöglich“ weitere geeignete, bereits bestehende Grundwasser-Messstellen einbezogen und zusätzlich neue Messstellen aufgebaut werden. Niedersachsen möchte bei der Binnendifferenzierung der roten Gebiete nun das Verfahren wechseln und dabei die „rechtlich möglichen Spielräume“ ausnutzen. In das weitere Vorgehen dieser Regionalisierung sollen künftig neben den Ministerien, den zuständigen Fachbehörden sowie der Wasserwirtschaft auch Vertreter der Landwirtschaft einbezogen werden. Für die Umsetzung haben sich die Beteiligten mehr als ein Jahr Zeit gegeben. Bis zum März 2022 soll das Verfahren abgeschlossen sein.

Eine weitere, detailliertere Untergliederung innerhalb der „roten Gebiete“ soll zudem mithilfe des niedersächsischen Dünge-Meldesystem „Enni“ ermöglicht werden. Über die zentrale Datenbank können Landwirte in Niedersachsen schon seit ein paar Jahren sehr genau angeben, wie viel Dünger bei ihnen angefallen und wohin dieser dann gelangt ist. Das System bietet die Möglichkeit, sehr schnell zu erkennen, wenn jemand zu viel Dünger auf seinem Acker verteilt hat. Genau dies gilt es zu verhindern, wenn der Nährstoffeintrag ins Grundwasser verringert werden soll. Otte-Kinast und Lies wollen mit dieser Methode nun das Verursacherprinzip noch weiter stärken. Bislang ist es so, dass für die Binnendifferenzierung das sogenannte „Basis-Emissionsmonitoring“ verwendet wird. Dabei wird auf die Emissionsdaten einer Kommune zurückgegriffen. Dieses Vorgehen wurde am Thünen-Institut in Braunschweig entwickelt und erst im vergangenen Jahr in einem Kompromiss auf Bundesebene vonseiten Niedersachsens durchgesetzt. Mit dem „Enni“-basierte Verfahren soll diese Differenzierung nach Verursachern nun noch kleinteiliger, nämlich einzelbetrieblich möglich werden. Auf Bundesebene konnte sich diese Alternative im vergangenen Jahr allerdings nicht durchsetzen. Seitdem die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Düngeverordnung in Kraft ist, darf Niedersachsen die Erhebung über „Enni“ auch nicht mehr verlangen und appelliert daher an die Landwirte, dies freiwillig zu tun.

Im Positionspapier der niedersächsischen Minister heißt es nun, man wolle über die Umwelt- und Agrarministerkonferenzen eine Bundesratsinitiative einbringen, falls dies nötig sein sollte, um das Verursacherprinzip nun in dieser Form zu stärken. Umweltminister Lies hat am Dienstag in Hannover angekündigt, dass man über eine Änderung der Meldeverordnung alle Betriebe dazu zwingen müsse, verbindlich über „Enni“ Daten zu liefern. Nur wenn alle Betriebe die Datenbank nutzen, kann künftig auch verbindlich damit gearbeitet werden. Agrarministerin Otte-Kinast möchte zudem auch, dass Betriebe in „roten Gebieten“ künftig mehrere Handlungsoptionen angeboten bekommen. Derzeit sind die Vorgaben sehr strikt, beispielsweise wird eine Reduzierung der Düngemenge um 20 Prozent vorgeschrieben. Otte-Kinast schlägt stattdessen vor, Ausnahmen oder alternative Maßnahmen für jene Betriebe anzubieten, die sich vorbildlich verhalten und nicht zu viel gedüngt haben.

Einstweilen zeigen sich die Landwirte nun besänftigt – wohl auch, weil sie sich von den Politikern ernstgenommen fühlen. Das trifft aber noch nicht auf die Bundespolitik zu. Sollte die Bundesregierung an dem geplanten Insektenschutzprogramm festhalten, wollen die Landwirte kommende Woche in Berlin demonstrieren. Auch Niedersachsens Agrarministerin versucht nun, dieses Gesetz auf Bundesebene doch noch zu stoppen. Sie sieht damit die Kompromisse aus dem „Niedersächsischen Weg“ gefährdet.