Lob und Zustimmung von SPD und Grünen – aber Bedenken und Vorbehalte bei der Opposition. So lassen sich die Reaktionen auf den Rundblick-Vorschlag zu einer Wahlrechtsreform zusammenfassen. Das Politikjournal hatte in der Montagausgabe ein Konzept für die Reform der Wahlkreise und die Einführung eines Paritätsgesetzes unterbreitet.

Der Rundblick-Vorschlag mit nur noch 42 Wahlkreisen: Die unterschiedlichen Farbflächen markieren die neuen Wahlkreise. Die grauen Linien innerhalb der Wahlkreise zeigen an, wo man diese in zwei etwa gleich große Aufgabenbereiche unterteilen könnte. | Grafik: Link

Diese Regel sei „zu kompliziert und auch rechtlich sehr bedenklich“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann. SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne erklärt hingegen: „Wir nehmen diese Anregungen gerne auf.“ Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Detlev Schulz-Hendel sagte: „Der Vorschlag sollte ernsthaft geprüft werden.“ Allerdings dürfe man nicht bei Wahlkreisreformen stehen bleiben, sondern müsse auch verbindliche Regeln für die Aufstellung der Landeslisten entwickeln.

Die von der Rundblick-Redaktion entworfene Konzeption nimmt Anleihen an einem Modell, das vor vielen Jahren der inzwischen verstorbene Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) aus Göttingen vorgelegt hatte. Sein Vorschlag lautete, pro Wahlkreis verpflichtend ein Tandem zu wählen – nämlich eine Frau und einen Mann (oder einen diversen Kandidaten). In der niedersächsischen SPD war das Modell vor Jahren intensiv diskutiert worden, doch die Partei selbst hat sich dazu bisher noch nicht bekannt. Die Rundblick-Redaktion greift den Vorschlag nun auf und entwickelt ihn weiter. So soll der Wähler drei Stimmen haben – zwei für Direktmandate (eine Frau und einen Mann oder diversen Vertreter) und eine für die Landesliste.


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Maßgeblich für die Landtagsgröße bleibt wie bisher die Listen-Stimme. Die derzeit 87 Landtagswahlkreise sollen auf 42 zusammengelegt werden. Je Wahlkreis ziehen in den Landtag ein die Frau und der Mann mit den jeweils meisten Stimmen. Diese Idee wird gegenwärtig auch in einem Reformvorschlag der bayerischen Grünen diskutiert. Der Rundblick-Vorschlag geht nun noch weiter und teilt die Wahlkreise nach der Wahl gedanklich in zwei Hälften, beide Direktkandidaten müssen sich dann verständigen, welcher für welches Gebiet zuständig sein soll. Wo keine Verständigung möglich ist, soll das Los entscheiden. Auf diese Weise soll gewährleistet sein, dass das Betreuungsgebiet für beide Direktkandidaten nicht zu groß wird und Konkurrenzen vermieden werden – da jeder der beiden primär nur für einen Teil des Wahlkreises zuständig sein soll.

„Neue Ideen und Ansätze bereichern die Debatte.“

Carina Hermann

Nach den Worten von SPD-Fraktionschef Tonne reichen Freiwilligkeit und Absichtsbekundungen nicht aus, wenn es um das Ziel der stärkeren Repräsentanz von Frauen in den Parlamenten geht. Der Rundblick-Vorschlag enthalte „einige interessante Ansätze, die sich ähnlich bereits in einem der Vorschläge der SPD Niedersachsen befunden hatten“. Eine genaue Prüfung der Verfassungsmäßigkeit sei geboten, dabei gehe es hier um das Zusammenspiel von zwei gewählten Abgeordneten. Grünen-Fraktionschef Schulz-Hendel sagte, die Grünen wollten noch in dieser Wahlperiode ein verfassungskonformes Paritätsgesetz erreichen – und dazu solle mit allen Fraktionen über mögliche Modelle beraten werden. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Carina Hermann, begrüßt den Rundblick-Vorschlag: „Neue Ideen und Ansätze bereichern die Debatte.“ Es sei aber „kritisch“, wenn gewählte Abgeordnete nur für einen Teil des Wahlkreises zuständig sein sollten.

Abgeordnete könnten für einen Teil des Wahlkreises verantwortlich sein, in dem sie gar nicht verwurzelt sind. Dass ein Losentscheid die Klärung herbeibringen könnte, sei auch rechtlich sehr bedenklich. Auch FDP-Chef Konstantin Kuhle äußerte sich zurückhaltend: Der Rundblick-Vorschlag sei „ein interessanter Diskussionsbeitrag“, man dürfe aber nicht die Geschlechterverhältnisse im Parlament über Zuteilungsregeln verändern. Alle Abgeordneten seien Vertreter des ganzen Volkes, damit sollten die Parteien weiter die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wie sie den Anteil weiblicher Kandidaten erhöhen wollen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Stefan Marzischewski sagte: „Wenn die Ampel in Berlin daran arbeitet, dass sich das Geschlecht per Federstrich jährlich wechseln lässt, wird ein Paritätsgesetz ohnehin ad absurdum geführt. Außerdem widerspricht es dem Demokratiegedanken und dem Grundgesetz. Was kommt denn dann als nächstes: Quoten für Menschen mit bestimmter Körpergröße, solche für die Religionszugehörigkeit oder die sexuelle Orientierung? Die AfD steht für Qualität statt für Quote.“