In der Landespolitik gibt es offensichtlich parteiübergreifend Interesse an einem neuen Anlauf für einen sogenannten Islamvertrag. Das wurde bei einer Podiumsdiskussion des islamischen Verbandes Schura Niedersachsen in Hannover deutlich. Dabei sprachen sich Vertreter von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Linken für einen solchen Vertrag aus. Im Januar waren die Gespräche zwischen Landesregierung und Islamverbänden über den Vertrag vorerst gescheitert und für diese Legislaturperiode ausgesetzt worden.

Podiumsdiskussion der Schura Niedersachsen, unter anderem mit Doris Schröder-Köpf, Düzen Tekkal und Belit Onay – Foto: MB.

Die niedersächsische Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf sagte, das Bild auf dem Podium stimme sie optimistisch. Auch in schwierigen Zeiten müssten die Gespräche weitergeführt werden. Schröder-Köpf plädierte dabei erneut für eine breite Mehrheit. „Eine Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag reicht nicht aus. Der Vertrag soll schließlich über eine Legislaturperiode hinaus Bestand haben. Solche Sachen sind doch eigentlich für die Ewigkeit gedacht.“

Auch der Grünen-Politiker Belit Onay ist der Meinung, dass der Prozess unbedingt wieder angestoßen werden sollte. Man brauche den Vertrag heute noch mehr als im Jahr 2013. „Wir haben hier auf der Bühne 100 Prozent für den Staatsvertrag. Deshalb sehe ich gute Chancen dafür, dass die Gespräche nach der Landtagswahl wieder aufgenommen werden“, sagte der Landtagsabgeordnete. Onay kritisierte rückblickend, dass man mit dem Nein zum Islamvertrag hunderttausende Muslime für die Politik in der Türkei habe büßen lassen.

Solche Sachen sind doch eigentlich für die Ewigkeit gedacht – Doris Schröder-Köpf zum Islamvertrag

Die Integrationsbeauftragte im Schattenkabinett von Bernd Althusmann, Düzen Tekkal, sprach sich ebenfalls für einen Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden aus. „Das Zusammenleben muss sich verändern, und das muss organisiert werden. Deshalb bin ich für so einen Staatsvertrag.“ Sie rief die muslimischen Verbände aber auch zur Selbstkritik auf. „Die Verbände müssen ihre Abhängigkeit in Frage stellen.“ Hintergrund ist die finanzielle Unterstützung des Verbandes Ditib durch die türkische Regierung.

Auch FDP und Linke stehen einem Staatsvertrag mit den islamischen Verbänden zustimmend gegenüber. Der Vertrag gehöre nach der Wahl ganz oben auf die Agenda, sagte die hannoversche FDP-Politikerin Claudia Jacobi. Der Linken-Politiker Andreas Braendle hält den Vertrag allein schon aus Gründen der Gleichberechtigung für notwendig. Die Frage des niedersächsischen Schura-Vorsitzenden Recep Bilgen, ob die Politik sich auch vorstellen könne, nur mit der Schura einen Vertrag zu schließen, wurde von keinem Podiumsteilnehmer beantwortet. Bilgen warb noch einmal für den Staatsvertrag: „Wir möchten keine Sonderstellung, sondern die gleichen Rechte und Pflichten.

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Sowohl aus den Reihen der Zuschauer als auf dem Podium wurde die Stimmung gegenüber Muslimen in Deutschland kritisch gesehen. Der Islam sei inzwischen zum Feindbild gemacht worden, bemängelten Zuschauer. Das Leben der Muslime würde mit außenpolitischen Ereignissen in Verbindung gebracht, Muslime unter Generalverdacht gestellt. Auch Düzen Tekkal stellte ein Klima fest, in dem Muslime stigmatisiert würden. Tekkal, die das Buch „Deutschland ist bedroht“ geschrieben hat, wurde von Zuschauern teilweise scharf kritisiert. Sollte sie durch einen Wahlsieg der CDU Integrationsbeauftragte in Niedersachsen werden, drohe eine Desintegration der Muslime, lautete ein Vorwurf. Tekkal verteidigte sich, man dürfe nicht naiv sein. Der kritische Umgang mit dem Thema müsse möglich bleiben.