Wenige Tage vor der mit Spannung erwarteten Landes-Mitgliederversammlung der niedersächsischen AfD wird der Ton spürbar schärfer. Die Kritiker des aus dem Raum Verden stammenden Landtagsabgeordneten Christopher Emden, der als einer von fünf Kandidaten neuer Landesvorsitzender werden möchte, haben ein Pamphlet mit harschen Vorwürfen in Umlauf gebracht. Parteiintern wird gerätselt, welchem Lager die Autoren des Flugblatts zuzurechnen sind. Manche der gegen Emden und seine Mitstreiter gerichteten Angriffe können als Verleumdung gewertet werden und sollen offenbar dazu dienen, Emden zu provozieren.

So wird ihm in dem Flugblatt unterstellt, als Abgeordneter nicht erreichbar zu sein, angeblich ein Bundestagsmandat anzustreben und mit rechtsextremen Kräften zu kooperieren, während er gleichzeitig eine betont bürgerliche Fassade aufrecht erhalten wolle. Emden „hintergeht seine Wähler“, heißt es in dem anonymen Pamphlet, in dem auch mehrere seiner Unterstützer scharf attackiert und teilweise als „Choleriker“ bezeichnet werden.


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Emdens Kandidatur für den Landesvorsitz hat die Lager in der AfD sichtlich verunsichert. Er war erst nach der Sommerpause mit seiner Bewerbung öffentlich geworden – und das ausdrückliche Ziel des Abgeordneten ist es, die geschlossenen Reihen der beiden stärksten anderen Lager aufzubrechen, nämlich das der bisherigen Vorsitzenden Dana Guth (Göttingen) und das ihres stärksten Konkurrenten Jens Kestner (Northeim). Kestner, der im Bundestag sitzt, gilt seit langem als Verbündeter von Guths Vorgänger als AfD-Landeschef, Armin-Paul Hampel (Uelzen). Zwar treten auch noch Dietmar Friedhoff (Neustadt am Rübenberge) und Stefan Wirtz (Braunschweig) an, beiden jedoch werden allenfalls Außenseiterchancen zugebilligt.

Die eigentlich spannende Frage beim Parteitag dürfte damit sein, welche beiden der drei stärksten Kandidaten – Guth, Kestner und Emden – den Sprung in die Stichwahl schaffen können. Die politische Zuordnung der Lager fällt bei näherer Betrachtung sehr schwer. Vordergründig profiliert sich Guth als Vertreterin einer Richtung, die klar auf Distanz geht zum rechtsextremen Flügel und ihrer Leitfigur Björn Höcke aus Thüringen. Ein entlarvender Brief des Landesvorstandes, unterzeichnet vom Guth-Anhänger Jörn König, zeigt aber eine ebenso starke Distanz zum System, wie sie bei den Höcke-Leuten anzutreffen ist. Es wird darin eine „Mediendiktatur“ in Deutschland beklagt.

Höcke-Lager ist gespalten

Was nun die Nähe des Höcke-Lagers zu Guths Gegenkandidaten Jens Kestner angeht, fallen mehrere Punkte ins Gewicht – so gilt etwa Kestners Northeimer Weggefährte Maik Schmitz als klarer Höcke-Mann, auch Kestner selbst wurde hier bisher verortet. Doch das Höcke-Lager in Niedersachsen, das unter dem Namen der inzwischen aufgelösten Gruppierung „der Flügel“ firmiert, ist inzwischen gespalten. Als einer der wichtigsten Helfer für Emden agiert der langjährige, in den eigenen Reihen aber umstrittene frühere Ministerialbeamte im Justizministerium, Manfred Otto. Über ihn heißt es, er sehe es als seine wichtige Aufgabe an, frühere „Flügel“-Anhänger aus dem Kestner-Lager zu lösen und auf die Seite des Kandidaten Emden zu bringen. Auch Otto zählt zu denen, die in dem anonymen Pamphlet angegriffen werden.

Unklar bleibt bisher, wie derartige Angriffe unter die Gürtellinie in der AfD bewertet werden – und ob sie zu weiteren Reaktionen führen. Einerseits können die Attacken geeignet sein, die Reputation von Emden, der bisher immer als agiler Erneuerer aufgetreten war, zu erschüttern. Andererseits können unfaire Schläge auch eine Welle der Solidarisierung auslösen und die Chancen von Emden noch verbessern.

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Unterdessen könnte der Parteitag spannend auch deshalb werden, weil der frühere Schatzmeister Bodo Suhren (Osnabrück) schwere Vorwürfe gegen den bisherigen Landesvorstand erhebt. Zwischen dem offiziellen Rechenschaftsbericht, der an die Bundestagsverwaltung gerichtet wird, und einem internen Bericht gebe es bei Einnahmen und Ausgaben erhebliche Abweichungen – zwischen 190.000 und 229.000 Euro. Das könne ein Hinweis auf eine wenig sachgerechte Kassenführung sein, meint Suhren. Außerdem kursiert AfD-intern eine Auflistung über die „Fleißigkeit“ der AfD-Landtagsabgeordneten, was Gesetzesinitiativen angeht – vorne liegen danach neben Emden noch Stephan Bothe (Lüneburg) und Jens Ahrends (Ammerland). Der Vorsitzenden-Kandidat Wirtz wird in dieser Aufstellung gar nicht erwähnt.