Darum geht es: Wer in Niedersachsen in einem Pflegeheim ist, zahlt einen deutlich geringeren Eigenanteil als im Bundesdurchschnitt. Das liegt allerdings an den niedrigen Löhnen der Pflegekräfte im Land. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Der Eckrentner hat es auch nicht leicht. Rund 1370 Euro stehen ihm jeden Monat zur Verfügung. Wenn er aber pflegebedürftig wird, schrumpft die Summe, die er monatlich ausgeben kann, deutlich zusammen. In Thüringen liegt der Eigenanteil im Pflegeheim bei knapp 240 Euro, da bleibt noch viel übrig. In Berlin sind es dagegen über 870 Euro weg. Niedersachsen liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Bei 391,43 Euro liegt der Eigenanteil in Niedersachsen. Im Prinzip sei das allerdings keine gute Nachricht, hieß es gestern aus dem Sozialministerium. Denn der niedrige Eigenanteil spiegele die geringe Entlohnung der Pflegekräfte wider. In Niedersachsen wird in der Pflege generell schlechter entlohnt, deshalb muss weniger zugezahlt werden.

Eine höhere Bezahlung für Pflegekräfte ist allerdings nur ein Punkt auf der Agenda, wenn es um die Pflege der Zukunft geht. Gebraucht werden mehr Fachkräfte, mehr Auszubildende und ein besserer Betreuungsschlüssel. Und demographisch bedingt wird es auch noch mehr Menschen geben, die gepflegt werden müssen. Experten zufolge wird sich die Zahl der Pflegefälle im Jahr 2050 im Vergleich zu heute mindestens verdoppelt haben. Die Kosten werden also in den kommenden Jahren weiter steigen, und zwar deutlich. Es sei zusätzliches Geld nötig, machten die drei Bundesminister, die sich die „Konzertierte Aktion Pflege“ auf die Fahnen geschrieben haben, deutlich. Aber jeder Euro davon sei gut angelegt. Das ist bestimmt richtig. Offen bleibt aber weiterhin, wer denn diese Euros überhaupt bezahlt. Und was eigentlich diejenigen erwartet, die weniger als das berühmte Eckrentner-Einkommen im Monat zur Verfügung haben. Ein nach und nach steigender Eigenanteil für Pflege-Patienten kann nicht die Lösung sein.

Darauf läuft es zunächst einmal allerdings hinaus, und das ist ein sträfliches Versäumnis der Politik. Sie schürt Erwartungen in der Pflege, die am Ende bezahlt werden müssen – und sie klammert die Finanzierungsfrage weitgehend aus. Das Versprechen, dass der Eigenanteil weitgehend unberührt bleiben soll, hat keinen Wert. Allein die Kosten für die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn versprochenen zusätzlichen Stellen, die zugleich bei weitem nicht ausreichen, liegen in den kommenden Jahren bei mehreren Milliarden Euro. Höhere Gehälter sind dabei noch nicht einmal eingepreist. Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Milliarden-Mehrkosten in den kommenden Jahren über den Pflegebeitrag abgefangen werden können. Schon jetzt wird das Defizit in der Pflegekasse am Jahresende bei drei Milliarden Euro liegen. Mit der angekündigten Erhöhung des Pflegebeitrags um 0,3 Prozentpunkte soll lediglich der Schulden-Status-quo erhalten werden. Die Beitragsreserve schmilzt und der Frust bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern über einen höheren Beitrag wächst.

Unser Finanzierungsmodell der Pflege funktioniert nicht in einer alternden Gesellschaft. Die Politik sollte deshalb nicht den Eindruck erwecken, dass mit einer Teilkasko-Versicherung eine weitgehende Vollkasko-Versorgung sichergestellt werden kann. Es sei jetzt nicht die Zeit, gleich nach einem Steuerzuschuss zu rufen, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gesagt. Damit hat er recht. Jetzt wäre die Zeit, bei der Finanzierung der Pflege über die Legislaturperiode hinaus zu denken. Eine systematische Finanzierungsunterstützung durch Steuergelder ist langfristig durchaus eine Möglichkeit, die Finanzierung in den Griff zu bekommen. Es lässt sich durchaus über andere Möglichkeiten bis hin zur kompletten Systemänderung diskutieren. Das sollte dann jetzt aber auch passieren, damit nicht die Schwächsten im System, den Pflegepatienten, am Ende dessen Zahlmeister sind.

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