Im Streit um die neue Pflegekammer in Niedersachsen fordert die FDP im Landtag, die Zwangsmitgliedschaft abzuschaffen. Dazu hat die Fraktion am Montag in Hannover einen Gesetzentwurf präsentiert, der in der nächsten Plenarsitzung beraten werden soll. „Die bisherigen eine Zwangsmitgliedschaft vorsehenden Formulierungen werden in Gänze so geändert, dass die Mitgliedschaft den genannten Personen in Zukunft freigestellt ist“, heißt es in die Entwurf.

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„Wir wollen eine politische Debatte um die Pflichtmitgliedschaft führen“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner. Die Kammer selbst hält von dem Vorschlag wenig. Dann drohe das gleiche Problem wie in der Vergangenheit: ein geringer Organisationsgrad, befürchtet Tino Schaft, Sprecher der Pflegekammer. „Damit wäre eine Legitimation einer solchen Freiwilligenorganisation nicht mehr gegeben.“ Zudem würde seinen Worten zufolge auch die Durchschlagskraft fehlen, weil die Kammer dann nicht mehr für alle über 80.000 Pflegekräfte im Land sprechen könne.

Die FDP-Sozialpolitikerin Sylvia Bruns meint hingegen, viele Beschäftige sähen in der Kammer keinen Nutzen für sich und die Pflege. „Für die Zukunft der Pflege sind andere Personalschlüssel, verbindliche Freizeit und mehr Geld für die Pflegekräfte wichtig. In allen drei Punkten hat die Kammer keinen Einfluss“, sagte Bruns gestern. Stattdessen habe sie vor allem die Aufgabe, die eigenen Mitglieder zu verwalten. Eine Abschaffung der neuen Kammer fordern die Liberalen nicht. Man wolle der Kammer eine Chance geben, sagte Bruns. Die habe sie schließlich verdient.


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Der Streit um die Kammer war hochgekocht, nachdem kurz vor Weihnachten die Beitragsbescheide an Pflegekräfte geschickt worden waren. Darin wurde automatisch der Höchstbeitrag für alle Mitglieder veranschlagt. Dieser basiert auf einem Jahresbruttogehalt von 70.000 Euro und liegt bei 280 Euro pro Jahr. Da für 2018 nur ein halbes Jahr veranschlagt wurde, lag der Betrag bei 140 Euro. Wer weniger als 70.000 Euro verdient, zahlt zwar nur 0,4 Prozent der Jahreseinkünfte. Das sollten Zwangsmitglieder aber zunächst nachweisen, um dann einen neuen Bescheid zu erhalten.

Derzeit befasst sich eine Arbeitsgruppe mit der Beitragsordnung und hat bereits erste Vorschläge auf den Tisch gelegt. Am Freitag soll sich eine außerordentliche Kammerversammlung erneut mit dem Thema befassen. Die FDP-Politikerin Bruns nannte das Vorgehen zutiefst dilettantisch und sprach von einem schlechten Management. Inzwischen haben rund 40.000 Niedersachsen eine Online-Petition gegen die Pflegekammer unterschrieben.

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Im Hinblick auf die anstehende Landtagsdebatte zu dem Thema sagte Birkner, es werde spannend, wie sich die Kollegen der CDU zum FDP-Antrag verhielten. Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann hatte vor wenigen Tagen gesagt, die Pflegekräfte brauchten keine Zwangsbeiträge und Zwangsmitgliedschaft. Er könne nur davor warnen, bei einer möglichen bundesweiten Vertretung für die Pflege dieselben Fehler wie in Niedersachsen zu machen, so Althusmann.

Verwunderung war bei Birkner dagegen über die SPD auszumachen, unter anderem über die Aussage der Sozialministerin, sie sei nicht die „Gouvernante der Pflegekammer“. „Die Kammer ist ein politisches Kind der SPD. So ganz sollte man sich von seinen Kindern gleich beim ersten Stress auch nicht verabschieden“, meinte Birkner. Das Ministerium hätte der Kammer bei der Erstellung der Beitragsbescheide durchaus Hinweise geben können, habe aber die Brisanz der Beitragssatzung selbst nicht erkannt.

Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden wäre es außerdem an der Zeit, dass sich der Ministerpräsident zu dem Thema äußert. „Stephan Weil taucht wie immer, wenn es um weniger angenehme Themen geht, wieder einmal ab. Stattdessen tingelt er von einem Neujahrsempfang zum anderen und hält dort wohlfeile Reden. Aber zu dem Thema, das viele Menschen angeht und bei dem das Land selbst in der Verantwortung steht, ist von ihm nichts zu hören.“