Der Salafismus als besonders radikale Ausprägung des Islamismus gewinnt in Niedersachsen immer mehr Anhänger. Das geht aus dem jüngsten Verfassungsschutzbericht hervor, den Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger gestern im Verfassungsschutzausschuss des Landtags vorgestellt haben. Zwischen Ende 2015 und Ende 2016 stieg die Zahl der Salafisten von 520 auf 680, gegenwärtig werden 730 Anhänger gezählt. „Es gibt eine steigende Tendenz. Überall im Lande gibt es Anhänger, Schwerpunkte sind die Städte Hannover, Hildesheim, Braunschweig und Wolfsburg“, erklärte Pistorius. Er sprach von mittlerweile 63 „Gefährdern“ in oder aus Niedersachsen, also Personen, von denen die Gefahr eines Anschlags ausgeht, sowie 29 möglichen Helfern und Unterstützern.

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Bezogen auf die bundesweite Zahl von 657 „Gefährdern“ fügte der Minister hinzu, dass sich die Hälfte der Menschen in Deutschland aufhalte. Auf Nachfragen von Jens Nacke (CDU), Thomas Adasch (CDU) und Stefan Birkner (FDP) wollte sich Pistorius nicht näher zu den Umständen der 63 Gefährder äußern. Vor allem zwischen Birkner und Pistorius entwickelte sich daraufhin ein heftiger Disput, da der Minister erklärte, konkrete Angaben nicht machen zu können. Erzürnt meinte Birkner: „Sie wissen nicht, was Sie hier vortragen, das ist erschreckend!“ Seit Februar seien 18 weitere Gefährder hinzugekommen, ohne dass das Innenministerium diese Entwicklung erläutern wolle. Pistorius entgegnete: „Ich verbitte mir diesen Ton!“  Er erklärte dann, 82 Niedersachsen seien in den Irak oder nach Syrien ausgereist, 33 zurückgekommen. Im Innenausschuss solle demnächst detaillierter berichtet werden.

Der Innenminister kündigte an, dass es ein Verbot der Moschee-Vereine DIK Hannover und DMG Braunschweig geben werde, die dazu notwendigen Informationen bisher aber noch nicht vorlägen: „Wenn es ausreicht, wird es auch ein Vereinsverbot geben, das kann ich Ihnen versichern. Wir sind dran und lassen keinen Verein aus den Augen.“ Klaus-Peter Bachmann (SPD) sagte, hier handele es sich „nicht um Moscheen, sondern um obskure Vereine“. Der CDU-Mann Nacke erwiderte, dies widerspreche früheren Einschätzungen von Rot-Grün. Das bisher ausstehende Vereinsverbot könne damit zusammenhängen, dass die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag jegliche Moscheekontrollen ausgeschlossen hätten. Auf die Frage von SPD-Mann Bachmann, wie weit es mit den Plänen eines salafistischen TV-Senders von Prediger Cifty in Braunschweig stehe, sagte Brandenburger, dass die Vorbereitungen dafür liefen, Konkreteres aber nicht bekannt sei.

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Im linksextremistischen Bereich geht der Verfassungsschutz von 625 gewaltbereiten Autonomen aus, die vor allem in Göttingen und Umgebung aktiv seien. Der G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg, bei dem die Präsidenten Trump, Putin und Erdogan erwartet werden, wirke im linksextremistischen Bereich „mobilisierend“. Der verbotenen kurdischen Partei PKK werden in Niedersachsen rund 1600 Anhänger zugerechnet, die jugendlichen Mitglieder der Organisation sind laut Pistorius zunehmend gewaltbereit. Stagnierende Zahlen gibt es nach Angaben des Innenministers im Bereich des Rechtsextremismus, der von ihm zuerst erwähnt wurde. So sei die Zahl der NPD-Mitglieder 2016 von 370 zu Jahresbeginn auf 350 zu Jahresende gefallen, andere rechtsextreme Parteien wie „Die Rechte“ spielten kaum eine Rolle, somit sei die rechtsextreme Szene „strukturloser“ geworden, sie vermische sich mit der „subkulturellen Szene“, die vor allem von Musikgruppen geprägt sei und der 600 Mitglieder zugeordnet werden. Die „Identitäre Bewegung“ stagniere bei 50 Personen, die „Reichsbürger“ werden auf 1400 Personen geschätzt – ein Drittel davon sei rechtsextrem, zehn Prozent gelten als gewaltbereit.