In einer gemeinsamen Pressekonferenz haben Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Justizministerin Barbara Havliza (CDU) die rasche Verständigung auf eine bessere Überwachung von Handy- und Computer-Kommunikation bei der Strafverfolgung angemahnt. Bisher wird die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland noch nicht angewendet, dies soll aber nun möglichst schnell eindeutig geregelt werden, betonte Havliza und verwies auf eine entsprechende Bundesratsinitiative. Noch herrschten Unklarheiten wegen der EU-Rechtsvorgaben. Wenn die Täter der Organisierten Kriminalität (OK) ihre Verständigung zunehmend auf Handys verlagern und parallel mehrere Geräte nutzen, dürften die Hürden für die Überwachung nicht zu hoch sein.

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Pistorius ergänzte, er trete für gerichtsfeste und praxistaugliche Vorschriften ein. „Das ist notwendig, denn der digitale Raum darf nicht frei von Strafverfolgung sein“, hob der Minister hervor. Außerdem pochen die beiden Politiker auf eine noch bessere Ausformung der Vorgaben, nach denen bei Tätern der Mafia oder der Clan-Kriminalität ihr auf kriminellem Weg erworbenes Vermögen an den Staat verlieren können. Die Bundesregierung arbeite derzeit an vielen Detailvorschriften, hier voranzukommen, erklärte Thomas Hackner, Abteilungsleiter im Justizministerium.


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Anlass für den gemeinsamen Auftritt der beiden Minister war das aktuelle Lagebild der Organisierten Kriminalität. Damit sind kriminelle Verbünde gemeint, die miteinander vernetzt sind und ein System aufgebaut haben, das aus gesetzeswidrigen Handlungen besteht, arbeitsteiligem Vorgehen, strenger Hierarchie, internationalen Verbindungen, Einschüchterung möglicher Zeugen und auch Korruption. Die Taten können von Einbruchsdiebstählen über Cyber-Attacken mit Erpressungen, Schleuserkriminalität bis hin zu Prostitution und Betrugsdelikten gehen.

An der Spitze der Strafverfolgung steht – wie schon in den Vorjahren – die Rauschgiftkriminalität. Die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen haben im vergangenen Jahr 96 Ermittlungsverfahren zur OK eröffnet, 32 davon wurden abgeschlossen. 81 Täter sind verurteilt worden. Vorgelagert war die Arbeit der Polizei, sie hat im Jahr 2019 nach Auskunft von Landespolizeipräsident Axel Brockmann in 52 Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 478 Tatverdächtige ermittelt, die aus 34 Staaten kamen. Die allermeisten waren in Deutschland geboren, die nächstgrößeren Gruppen sind Türken, Albaner, Kosovaren und Russen. Was den Rauschgifthandel angeht, sei Deutschland „ein zentraler Verteilerknoten für den Weitertransport“.

Wie Brockmann berichtete, nehmen drei Bereiche zu – die Wohnungseinbrüche, die Sprengung von Geldautomaten (2019 gab es hier 45 Vorfälle) und das Stehlen von Lastwagen-Ladungen, nachdem vorher die Planen aufgeschlitzt wurden. Auch das Agieren angeblicher Polizisten, die älteren Menschen unter einem Vorwand Geld abnehmen, sei Teil der OK-Fälle. 2019 gab es fünf Verfahren, im Jahr zuvor sieben, bei denen auch „Einflussnahme auf Politik, Medien, Wirtschaft oder Justiz“ feststellbar war – also Versuche, etwa auf Journalisten oder Kommunalpolitiker einzuwirken. Havliza nennt beispielhaft „einen Geschäftsmann, der mit vorgebliche klugen Ideen auf gesellschaftliche Gruppen zugeht, in Wahrheit aber kriminelle Ziele verfolgt“. Die Rockerkriminalität agiert nach Angaben von Brockmann „immer weniger abgeschottet“, die Zahl der Beteiligten dieser Gruppen sei von 830 im Jahr 2018 auf jetzt rund 900 angewachsen.

Als Trends stellen die Ermittler eine Internationalisierung fest – oft seien die Leitungsebenen der Gruppen im Ausland. Auch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung eigneten sich die Täter verstärkt an. Im Justizministerium wird aufmerksam registriert, dass die Prozesse gegen Mitglieder der OK 2018 im Schnitt noch 7,5 Tage gedauert hätten, im vergangenen Jahr waren es schon elf Tage.

Mit einem „Deal“, also einer Verständigung zwischen Anklage und Verteidigung, seien im vergangenen Jahr nur 15 Prozent der Verfahren geendet – das sei ein sehr niedriger Wert. Havliza meint, die Vorschriften für solche Deals seien viel zu kompliziert und wenig praxistauglich. Im Interesse der Justiz sei es aber schon, auf diese Weise die Verfahren abzukürzen. Daher warte sie nun gespannt auf Vorschläge der Bundesjustizministerin, „straffere und klarere Regeln“ zu schaffen.