Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) warnt vor neuen Formen islamistischer Agitation und versucht, die Präventionsarbeit des Landes auf diese neuen Phänomene hin auszurichten. Die neuen Formen zeichneten sich dadurch aus, dass sie zunächst moderner daherkommen, erläuterte die Ministerin vor Journalisten.

Justizministerin Barbara Havliza (CDU) | Archivbild: Kleinwächter

So werden vermehrt sehr professionell erstellte Videobotschaften nicht nur auf dem Streaming-Kanal Youtube, sondern auch etwa bei TikTok verbreitet, wo sie ein besonders junges Publikum erreichen und von radikalen Ideen zu überzeugen versuchen. Auch inhaltlich weichen die modernen Agitationsformen von früheren Ausprägungen ab. So würden die Botschaften inzwischen viel unterschwelliger platziert, erläuterte die Ministerin. Außerdem seien die Inhalte darauf ausgerichtet, gezielt eine Spaltung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen herbeizuführen.

„Häufig geht es nur scheinbar um Religion und Minderheitenrechte, im Kern geht es vielmehr um die verdeckte Verbreitung einer demokratiefeindlichen Ideologie.“

Zwar gebe es auch weiterhin die klassischen Formen der Werbung, wie die Koran-Verteilung in der Fußgängerzone oder vor Schulen, provokative Aktionen wie die „Scharia-Polizei“, Reden auf öffentlichen Bühnen oder öffentliche Konvertierungen, listete Havliza auf. Zusätzlich bedienten sich islamistische und salafistische Organisationen aber zunehmend auch populistischen und aktivistischen Agitationsformen. „Aktuelle Formen islamistischer Agitation lassen sich mitunter kaum noch als offenkundig erkennbarer Extremismus bezeichnen, sondern sie ähneln in vielerlei Hinsicht eher populistischen und aktivistischen Agitationsformen, hier kombiniert mit dem Ziel, zu spalten und zu polarisieren“, sagte Havliza. „Häufig geht es nur scheinbar um Religion und Minderheitenrechte, im Kern geht es vielmehr um die verdeckte Verbreitung einer demokratiefeindlichen Ideologie.“

Fokus auf: Föderale Islamische Union

Besondere Aufmerksamkeit verlangen laut Justizministerium Organisationen wie die Föderale Islamische Union (FIU), die ihren Sitz in Hannover hat. Als Prediger und Agitator dieser Organisation ist der Konvertit Marcel Krass bekannt geworden. Krass unterscheidet sich von anderen bekannten salafistischen Predigern wie Pierre Vogel oder Abu Wallah deutlich durch sein äußeres Erscheinungsbild. In Youtube-Videos präsentiert er sich besonders nahbar auch dadurch, dass er nicht durch besonders religiöse islamische Kleidungsstücke auffällt, sondern sich als klassischer Hemd-Träger darstellt. In seinen Videos zeichnet er dann ein verzerrtes Bild von der innerislamischen Einheit, die sich gegenüber den Andersgläubigen und Andersdenkenden behaupten müsse – und zwar nicht irgendwo im Ausland, sondern konkret hier in Deutschland. Extremistisch wirkt die Tätigkeit der FIU nicht, zu Gewalt wird explizit nicht aufgerufen. Die FIU hat sich etwa dadurch profiliert, dass sie mit einer Petition dazu aufgerufen hat, einen Bundesbeauftragten gegen antimuslimischen Rassismus zu bestimmen. Um die Muslime von der restlichen Bevölkerung abzugrenzen, nutzt man allerdings real existierende Diskriminierungen.

Ähnlich geht auch die in Hamburg ansässige Gruppe „Muslim Interaktiv“ vor, die mit öffentlichen Protestaktionen genauso auffällt wie durch professionelle Social-Media-Arbeit. Als inhaltliches Kernmotiv bezeichnet Niedersachsens Justizministerium dabei eine „angeblich von der Auslöschung bedrohte kulturelle Identität von Muslimen in Deutschland und Europa.“

Land setzt auf Prävention via Podcast

Wie kann der Rechtsstaat nun darauf reagieren? Für den Verfassungsschutz ist die Überwachung dieser Gruppierungen deshalb so schwierig, weil sie sich mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit scharf an der Grenze aber noch innerhalb des rechtlich Zulässigen bewegen. Havliza sagt deshalb: „Diesen islamistischen Agitationsformen und ihrem gefährlichen Spaltungspotenzial müssen wir unbedingt mit gezielten Maßnahmen der Radikalisierungsprävention entgegenwirken.“

Das Landes-Demokratiezentrum habe deshalb eine Broschüre mit Informationen zu diesem Phänomenbereich bereitgestellt und biete passende Fortbildungen an, die sich an Lehrer, Schul-Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von Justizvollzugsanstalten richten. In einem neuen Online-Tool sollen zudem ab Ende Februar Vereine und Schulen ganz einfach passende Fachreferenten finden können. Ebenfalls online gibt es eine Podcast-Reihe mit dem Titel „Primärpräventive Intervention Niedersachsen“ (PIN), die laufend aktualisiert wird und kostenlos auf Soundcloud angehört werden kann. An drei Hotspots, nämlich in den Regionen Hildesheim, Göttingen und Osnabrück, fördere das Landes-Demokratiezentrum zudem Fachstellen zur Prävention von religiös-begründeter Radikalisierung.