Darum geht es: Die Bundesländer sind dafür, dass spätestens ab dem Jahr 2030 EU-weit nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden sollen. Das wäre das Aus für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor. Ein Pro & Contra aus der Rundblick-Redaktion.

 

PRO: Eine gesetzliche Stichtagsregelung könne der Produktion umweltfreundlicher Autos einen Schub geben und ist deshalb durchaus sinnvoll, meint Klaus Wallbaum:

Manchmal muss man dem Glück ein wenig nachhelfen. So ist es auch hier. Wenn die deutsche Wirtschaft mit voller Kraft auf eine Innovation zusteuern soll, kann die Politik dafür durchaus die Voraussetzungen schaffen. Sie sollte es auch tun.

Nehmen wir an, in Deutschland würden wirklich ab 2030, also in nur 14 Jahren, keine neuen Benzin- oder Diesel-schluckenden Autos mehr zugelassen, so würde das eine gewaltige Umstellung auslösen. Alle Autokonzerne, auch die zögernden, würden dann auf Hochtouren die Entwicklung von Elektrofahrzeugen vorantreiben. Die Wissenschaft, die an effizienteren Batterien und modernen Ladeformen arbeitet, bekäme einen gewaltigen Schub. Landesplaner und Verkehrspolitiker würden auf einmal gefordert sein, für ein flächendeckendes Netz von Strom-Tankstellen zu sorgen. Das, was bisher halbherzig und widerwillig geschah, bekäme auf einmal Priorität. Das wäre sinnvoll – und ein solches Verbot ist das, was ein Staat als Rahmensetzung leisten kann und in diesem Fall auch sollte.

"Es geht um ein höherwertiges Ziel, nämlich den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, hier vor allem des Klimas" - Foto: Jakob Brüning

„Es geht um ein höherwertiges Ziel, nämlich den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, hier vor allem des Klimas“ – Foto: Jakob Brüning

Wer diesen Weg als Planwirtschaft oder – verachtungswürdigen – Eingriff des Staates in die Marktwirtschaft brandmarkt, verkennt zweierlei: Erstens geht auch die Ordnungspolitik nicht von einem freien Spiel aller Kräfte aus, sondern plädiert für Leitplanken, die der Staat setzen soll. Zweitens ist das Ziel nicht etwa ein Konjunkturprogramm wie bei einer Abwrack- oder Kaufprämie für bestimmte Produkte. Es geht um ein weitaus höherwertiges Ziel, nämlich den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, hier vor allem des Klimas. Die Fahrzeuge im Straßenverkehr sind der drittgrößte Verursacher der Treibhausgase in Deutschland – nach den Kraftwerken und der Industrie. Im weltweiten Maßstab gibt es Vereinbarungen, den Ausstoß von Kohlendioxid zurückzufahren, und deshalb ist es richtig und sinnvoll, bei der Modernisierung der Fahrzeuge und der Antriebssysteme anzusetzen. Das gilt umso mehr, als die großen deutschen Autohersteller bisher so wirken, als hätten sie die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Der staatliche Eingriff in Form einer Terminvorgabe kann hier Wunder bewirken. Die Unternehmen würden einfallsreich genug sein, all jenen Autobesitzern, die noch ein relativ neues Fahrzeug mit alter Technologie fahren, ein lukratives Angebot für den Wechsel zu machen. Die Verbraucher werden also vermutlich am Ende unter einer solchen Regel gar nicht leiden, da sich genügend Anbieter um die deutschen Autofahrer als Kunden bemühen werden.

Richtig sind allerdings einige Folgen und Begleitentwicklungen. Erstens reicht es nicht, ein Verbot von Benzin- und Dieselwagen nur auf Deutschland zu begrenzen. Verabredungen mit den Nachbarländern im Norden, Osten, Süden und Westen sind nötig, damit deutsche Autofahrer beim Grenzübertritt nicht auf einmal keine Strom-Tankstellen mehr vorfinden. Zweitens kann die Nicht-Zulassung bestimmter Fahrzeuge ab 2030 nur glaubwürdig vermittelt werden, wenn die Politik mit der gleichen Entschlossenheit auch die anderen Verursacher der Treibhausgase reguliert – die Industrie, die ihre Produktion umstellen muss, und vor allem die Energiewirtschaft. Just in diesen Tagen liest man, dass nach dem Abschied von der Atomkraft der Kohlestrom-Anteil in Deutschland wächst, stärker noch als der Anteil der erneuerbaren Energien. Daraus folgt die Notwendigkeit, steuernd einzugreifen – und das viel härter als bisher. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren allein wäre kein Ausweis einer überzeugenden Klimapolitik. Ein solches Verbot, eingebettet in einen Rahmen auch für die Großindustrie, hätte durchaus Charme.

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CONTRA: Elektroautos sind teuer und unpraktisch. Deshalb kauft sie auch kaum jemand. Die Politik sollte erst einmal die eigenen Hausaufgaben machen, bevor sie den Verbrennungsmotor verbieten will, meint Martin Brüning.

In Umfragen erreicht die Zustimmung zum Klimaschutz in Deutschland Werte, die schon fast an SED-Wahlergebnisse in der ehemaligen DDR erinnern. Wir alle sind für mehr Klimaschutz, klar. Paradox ist allerdings, dass zeitgleich die Autos vor den Haustüren immer größer werden. Ein Mittelklasse-Passat aus den 80er-Jahren, der damals selbst bei längeren Reisen ein bequemes Fortbewegungsmittel für Familien war, sieht neben dem aktuellen Nachfolge-Modell wie ein Kleinwagen aus. Und vielen Familien reicht der Passat gar nicht mehr – es muss schon ein Van oder sogar ein SUV ein.

"Glaubt irgendjemand daran, dass in Stadtvierteln, in denen derzeit kaum ein Parkplatz zu finden ist, in nur 14 Jahren für alle Mieter mit Elektroautos eine Ladestation zur Verfügung steht?"   -  Foto: Jakob Brüning

„Glaubt irgendjemand daran, dass in Stadtvierteln, in denen derzeit kaum ein Parkplatz zu finden ist, in nur 14 Jahren für alle Mieter mit Elektroautos eine Ladestation zur Verfügung steht?“ – Foto: Jakob Brüning

Warum tut sich die E-Mobilität in Deutschland so schwer? Einfache Antwort: Weil zwischen der Marketing-Sprache der E-Mobil-Phantasten und der automobilen Realität eine so große Lücke klafft, in die sogar der aktuelle VW Passat mehrmals hineinpassen würde. E-Autos sind teuer und unpraktisch. Deshalb liegen sie bei den Neuzulassung in Deutschland bei unter einem Prozent, da hilft auch der Rohrkrepierer „E-Auto-Prämie“ nicht weiter. Hinzu kommt, dass auch bei den Kunden eine Lücke klafft: Zwischen dem Bekenntnis zum Umweltschutz und den SUV-Motoren, die die Bekenner im Winter während des Eiskratzens schon einmal warm laufen lassen.

Dennoch: Die Autokonzerne verkaufen kein gutes Gewissen, sondern Autos. Der Kunde entscheidet und der Kunde ist bekanntlich König. Wenn nun die Politik festlegen will, was der Kunde ab 2030 zu kaufen hat, setzt sie sich eine Krone auf, die ihr nicht zusteht. Wer mit Planwirtschaft technologischen Fortschritt erzwingen will, sollte vorher eine Runde im Trabant drehen, dem Volksauto der DDR.

Man sollte den Werbern für mehr E-Mobilität nicht auf den Leim gehen. Ja, der Tesla ist ein faszinierendes Auto. Aber wie viele Teslas werden im Vergleich zu allen anderen Fahrzeugen schon verkauft? Und vor allem: Welche Familie kann sich so einen Wagen leisten? Der Tesla ist lediglich ein nettes E-Spielzeug für technikbegeisterte Besserverdiener. Und auch das Beispiel Norwegen, in dem es durch entsprechende Förderung einen Elektroauto-Boom gibt, ist mit Vorsicht zu genießen. Wie groß ist schon der norwegische Automarkt? Und auch dort kaufen zwei Drittel der Kunden kein Elektroauto.

Die Politik mag mit dem Jahr 2030 nun auf dem Papier ein Zeichen setzen. Dann sollte sie aber gefälligst auch einmal die eigenen Hausaufgaben angehen. Oder glaubt irgendjemand daran, dass in Stadtvierteln, in denen derzeit kaum ein Parkplatz zu finden ist, in nur 14 Jahren für alle Mieter mit Elektroautos eine Ladestation zur Verfügung steht? Und kann es in nur 14 Jahren gelingen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa ein flächendeckendes Netz von Ladestationen zu installieren, damit der Adria-Urlaub nicht mehr leerer Batterie in Österreich zu Ende ist? Die Politik selbst hat außer mit einer Zahl auf einem Papier nicht bewiesen, dass sie nur im Ansatz in der Lage ist, die Herausforderungen zu stemmen.

Die politischen Befürworter des Elektroauto-Zwangs sollten beachten, dass Mobilität ab dem Jahr 2030 nicht zu einer neuen sozialen Frage wird. Es ist das eine, sich in der Politik mit möglichen Zukunftstechnologien zu schmücken. Dennoch müssen sich breite Schichten auch in 14 Jahren die verordnete Hightech-Mobilität auch leisten können. Ob sie es sich leisten wollen, hängt vielmehr von der Autoindustrie ab. Weniger Marketing-Sprechblasen und mehr technologische Fortschritte könnten durchaus zu einem massiven Anstieg der Verkaufszahlen von Elektroautos führen. Die Käufer, die mehrere zehntausend Euro für ein solchen Fahrzeug zahlen, und nicht die Politik, sollten das entscheiden.

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