Darum geht es: Der Landtag hat gestern über eine Weiterentwicklung von sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) debattiert. Der Redaktion des Rundblicks argumentiert das Instrument der ÖÖP-Projekte in einem Pro und Contra.

 

PRO: Das Land sollte sich intensiver um Möglichkeiten einer gemeinsamen Finanzierung von Staat und Privatwirtschaft kümmern, meint Klaus Wallbaum.

Die abstoßenden Beispiele sind in aller Munde: Bei Toll Collect, dem privaten Betreiber der Lastwagenmaut, konnte alles erst mit einem Jahr Verspätung an den Start gehen. Die Verträge, die noch dazu geheim waren, erwiesen sich als fehlerhaft. Und bei der Elbphilharmonie in Hamburg wird der Fertigstellungstermin immer weiter herausgeschoben; die Kosten steigen und steigen. In beiden Fällen war der Staat vorher auf die Idee gekommen, einen Vertrag mit privaten Investoren zu schließen, und das böse Erwachen kam später, zu spät. Die Vereinbarung erwies sich in beiden Fällen als fragwürdig und lückenhaft. Anders ausgedrückt: Der Staat hatte sich offenbar über den Tisch ziehen lassen.

Was folgt daraus? Die CDU im Landtag stellt heute einen Antrag zur Abstimmung, der mehr ÖPP vorsieht. Im Zweifel solle der Staat privates Kapital mobilisieren für Investitionen in Infrastruktur. SPD und Grüne reagieren mit deutlicher Skepsis, ihr Credo: lieber eine bessere staatliche Finanzausstattung als ein Pakt mit dem Kapital.

Zunächst bleibt nüchtern festzuhalten: Die Steuereinnahmen sprudeln seit Jahren, auch in Niedersachsen. Das Land hat ein Programm für die Sanierung von Verwaltungsbauten aufgelegt, der neue Bundesverkehrswegeplan verspricht große Fortschritte etwa bei Autobahnprojekten. Trotzdem ist die staatliche Bauverwaltung gefangen in ihrem überlieferten Verhalten: Bauvorhaben kommen in eine Prioritätenliste und werden in verschiedene Bauabschnitte unterteilt. Da man gleichzeitig viele Regionen und verschiedene Projekte bedienen muss, heißt das in den meisten Fällen: Einteilung in verschiedene Bauabschnitte, Ausdehnung über viele Jahre, Beschränkung der Investitionen auf das Nötigste. Die ÖPP-Idee steht dem mit bestechenden Vorteilen gegenüber: Ein Großvorhaben kann schnell und in einem Rutsch fertiggestellt werden, später trägt der Staat als Nutzer die Kosten über 15 oder 20 Jahre ab. In vielen Fragen sind die privaten Investoren flexibler, sie müssen die Gewerke nicht streng aufteilen, sind weniger strikt an Ausschreibungen gebunden – sie können auch die spätere Nutzung, sogar den Reparaturbedarf, in ihre Kalkulation einbeziehen. Ein Bauprojekt entsteht stärker „aus einem Guss“ – und ist damit übersichtlicher zu managen.

An dieser Stelle ist ein großes „aber“ anzufügen: Weil private Investoren verdienen wollen, und weil sie oft gut verbandelt sind mit anderen Unternehmen, ist in jedem Fall Vorsicht geboten. Die Gefahr von Korruption und Vetternwirtschaft ist bei privaten Investitionen nicht geringer als dann, wenn die öffentliche Hand baut. Womöglich ist das Risiko sogar noch größer, denn die Chance, sich nach außen gegen Kontrolleure und Kritiker abzuschotten, ist für private Investoren größer. Sie können auf Vertraulichkeit oder gar Geheimhaltung dringen – denn geschäftliche Daten, die bei einer Kooperation mit dem Staat öffentlich werden, könnten der privaten Konkurrenz als Waffe im harten Wettbewerb dienen. Wenig segensreich sind auch die Begleiterscheinungen der Forfaitierung, der Möglichkeit für den Investor, alle Forderungen an den Staat an eine Bank zu übertragen und sich damit recht bald nach Fertigstellung ganz zurückziehen zu können. Das erschwert es nicht selten, wenn später Mängel auftreten und der Investor in Haftung genommen werden müsste.

Was folgt daraus? ÖPP ist sinnvoll. Derzeit kann sich zwar der Staat günstiger als Privatunternehmen Geld leihen, aber gleichzeitig gilt bald die staatliche Schuldenbremse, die Investitionsvorhaben von Bund, Ländern und Kommunen erschweren. Dann liegt eine Kooperation mit privaten Investoren nahe. Man sollte aber künftig stärker als bisher goldene Regeln beachten:  Es muss bei allen solchen Verträgen eine effektive Kontrolle geben. Diese muss nicht gleich auf das ganze Parlament oder den gesamten Stadtrat ausgedehnt werden, zumal Politiker mit dieser Aufgabe oft überfordert sind. Es sollte aber einen professionellen Kontrolleur geben, der unabhängig ist und sowohl bei der Vertragsgestaltung wie auch bei der Durchführung den Investoren genau auf die Finger schaut.

 

CONTRA: Schluss mit der Trickserei. Der Staat hat genug Geld, um selbst die Bauprojekte zu verwirklichen, die nötig und sinnvoll sind, meint Martin Brüning.

Vor ein paar Jahren kam der Begriff der schwäbischen Hausfrau in Mode. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm sie als Vorbild für nachhaltiges Haushalten. Nun wäre der besagten schwäbischen Hausfrau der Begriff „alternative Finanzierungsmodelle“ wohl niemals über die Lippen gekommen, im Gegensatz zu Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.

Man braucht nicht die bekannten ÖPP-Desaster wie das Mautsystem Toll Collect oder das Pannenprojekt Herkules der Bundeswehr bemühen, um Zweifel am Sinn und Nutzen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften zu bekommen. Der Bundesrechnungshof hat schließlich genügend Gründe gefunden, die gegen einen größeren ÖPP-Einsatz sprechen. Wenn sechs Projekte begutachtet werden und sich fünf davon als unwirtschaftlich herausstellen, ist das keine ÖPP-Werbung.

Während der Bundesverkehrsminister davon träumt, dass Privatprojekte bis zu 40 Prozent günstiger zu haben seien, präsentiert der Bundesrechnungshof ganz andere Zahlen. Die fünf geprüften Projekte seien im Vergleich zu einer konventionellen Realisierung um 1,9 Milliarden Euro teurer gewesen. Prädikat: unwirtschaftlich. Nur einmal zum Vergleich: Für die zu viel ausgegebenen fast zwei Milliarden Euro hätte man bundesweit vermutlich rund eine halbe Million Schultoiletten sanieren können.

„Ein ÖPP-Projekt muss für die öffentlichen Haushalte mit deutlichen und klaren finanziellen Vorteilen verbunden sein“, schreibt die Landesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage. Wenn private Bauträger nicht nur wegen höherer Risiken höhere Zinsen zahlen müssen, sondern auch noch die Risikoaufschläge hinzukommen, fragt man sich doch, wo diese finanziellen Vorteile liegen könnten. Wo genau soll ein privater Investor das einsparen, um am Ende gleichwertige, oder wie das Bundesverkehrsministerium sogar meint: überdurchschnittliche, Qualität zu liefern? Und am Argument, dass private Bauunternehmen automatisch immer effizienter arbeiten, dürfte jeder Häuslebauer Zweifel haben, der schon mit Baumängeln und Zeitverzögerungen zu tun hatte.

Die ÖPP-Projekte erinnern an die Zeit vor der Finanzkrise, als einige Stadtkämmerer das  „aktive Schuldenmanagement“ erfanden und damit begannen, an den internationalen Finanzmärkten zu zocken. Einige haben sich dabei gründlich die Finger verbrannt. Hat man jemals eine schwäbische Hausfrau vom „aktiven Schuldenmanagement“ sprechen hören?

Schluss mit der Trickserei: Der Staat hat genug Geld, um selbst die Bauprojekte zu verwirklichen, die nötig und sinnvoll sind. Statt mit intransparenten ÖPP-Projekten zu  versuchen, klammheimlich die Schuldenbremse zu umgehen, sollte er sich lieber denjenigen zum Vorbild nehmen, den er gerne immer wieder propagiert: Den ehrbaren Kaufmann. Der muss sich schließlich auch entscheiden, was er finanzieren kann, und was nicht. Die schöngerechneten ÖPP-Modelle sind das Gegenteil von finanzpolitischem Verantwortungsbewusstsein