Die CDU steht vor großen Veränderungen. Die angeschlagene Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihren Rücktritt angekündigt. Personell müssen sich die Christdemokraten neu aufstellen. Sollen sie das auch inhaltlich tun? Die Rundblick-Redaktion streitet darüber in einem Pro und Contra.

Foto: DQM; CDU Deutschlands/www.bilder.cdu.de

PRO: Auch in Zukunft wird es in der Volkspartei CDU Spannungen geben – zwischen den Konservativen hier und den eher Fortschrittlichen dort. Das muss auch so sein. Trotzdem ist eine wichtige Aufgabe der nächsten Parteiführung, in einigen Grundsatzfragen einen politischen Wandel einzuleiten, und dies muss in Richtung einer stärkeren Öffnung für Zukunftsthemen geschehen, meint Klaus Wallbaum.


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Es war ein Fehler, dass Kramp-Karrenbauer lange Zeit ohne Regierungsmacht blieb, nachdem sie schon Parteivorsitzende geworden war. Später war es ein Fehler, von ihrem neuen Amt als Verteidigungsministerin auf eine Stärkung ihrer Rolle zu schließen. Das Außenministerium, eine repräsentative Aufgabe, wäre es womöglich gewesen – aber nicht die Schlangengrube Bundeswehr. Am sinnvollsten wäre es gewesen, die Kanzlerin hätte für sie Platz gemacht. Aber auch das wollte Merkel nicht.

Wer immer nun neuer CDU-Vorsitzender wird, er sollte mit der Kanzlerin besprechen, dass er möglichst rasch selbst Regierungschef wird – und wenn die Koalitionspartner SPD und CSU nicht wollen, dann eben über vorgezogene Bundestagsneuwahlen. Für die CDU ist es jedenfalls das Beste, wenn ihr neuer Vorsitzender auch Kanzler ist, denn nur dann bringt er die Autorität mit, die Weichen für eine veränderte CDU-Politik so zu stellen, dass er sie auch gegen Widerstände durchzusetzen vermag.

Es war ein Fehler, dass Kramp-Karrenbauer lange Zeit ohne Regierungsmacht blieb, nachdem sie schon Parteivorsitzende geworden war.

Das große Versäumnis in der langen Zeit, in der Angela Merkel die CDU geprägt hat, war dieses: Sie hat zwar die richtigen Weichen gestellt und in zentralen Zukunftsfragen die Partei in die Mitte geführt – hin zu Positionen, die noch in den achtziger Jahren als undenkbar galten (weg von der Atomkraft, weg von der Wehrpflicht, hin zur Frauenförderung in der Wirtschaft, hin zur staatlichen Kinderbetreuung, hin zur Ehe für alle). Merkel hätte aber gleichzeitig dafür sorgen müssen, dass die Konservativen sich noch in der Partei wiederfinden. Dafür hätte schon längst eine starke Figur auftreten und in machtvoller Position agieren müssen, etwa ein Friedrich Merz als Bundesminister.

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Eine solche Kombination von liberaler Erneuerung einerseits und Betonung konservativer Werte andererseits hätte der CDU-Basis neues Vertrauen in die Führung vermitteln können. Für beide Seiten wäre jemand da gewesen. Doch Merkel lässt, bis heute, keine starken Figuren an ihrer Seite zu, sie will wohl allein die Leitfigur sein. Die Quittung dafür bekam nicht die Kanzlerin, sondern ihre Nachfolgerin als Parteichefin, Annegret Kramp-Karrenbauer. Im Moment ihres erkennbaren Autoritätsverlustes, rund um die Thüringen-Affäre, brach der CDU-Vorsitzenden der Boden unter den Füßen weg.

Was muss anders werden in der CDU? Mehrere Punkte sind zu klären:

Eine Strategie für den Osten: Viele CDU-Politiker in den neuen Ländern liebäugeln mit der AfD und wünschen sich eine Kooperation. Die CDU-Bundesspitze unterbindet das, aber offenbar bisher nicht überzeugend und eindringlich genug. Dabei bieten die antidemokratischen Tendenzen in der AfD ausreichend Gründe für einen klaren Trennungsstrich. Dass Kramp-Karrenbauer bisher die Linie vertrat, auch Kooperationen mit der Linkspartei kämen nicht in Frage, wirkte sich im konkreten Fall in Erfurt wie eine Selbstblockade aus. Bei dieser Vorgabe war es gar nicht möglich, zu einer Mehrheitsbildung unter Einschluss der CDU in Thüringen zu kommen. In Sachsen-Anhalt könnte die Situation im nächsten Jahr ähnlich werden. Daher muss die CDU sich dafür öffnen, im Fall der Fälle eine Kooperation (etwa Unterstützung für ausgewählte Projekte) mit der Linkspartei anzupeilen.

https://soundcloud.com/user-385595761/akk-in-niedersachsen-bei-einer-partei-ist-die-cdu-generalsekretarin-immer-noch-nachtragend

Eine Strategie für die Konservativen: Die CDU braucht – neben dem nächsten Kanzlerkandidaten – eine Leitfigur für die Konservativen. Diese Person muss attraktiv sein für den rechten Flügel der Union, und zwar bei strikter Beibehaltung der klaren Abgrenzung zur AfD. Dazu gehören neue Konzepte zu Themen, die längst schon hätten geregelt werden müssen: Aufstockung der Justiz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren, striktes Vorgehen gegen Zuwanderer, die kriminell werden, radikale Vereinfachung des Steuerrechts, Betonung des Leistungsgedankens (etwa bei der Grundrente), Stärkung der Werte (Anstand, Respekt, Umgangsformen) und Verteidigung der überkommenen Regelwerke (Parlamentarismus und Repräsentationsprinzip). Nur über diesen Weg kann es gelingen, den Einfluss dubioser Organisationen wie der „Werte-Union“ zurückzudrängen.

Eine Strategie für die Progressiven: Die CDU muss auch attraktiv sein für junge Leute, für Frauen und für Menschen, die bisher nicht politisch aktiv waren. Dazu braucht sie mehr Modernität. Das fängt an beim überfälligen Reißverschlussverfahren (Mann/Frau abwechselnd) bei Bundestags- und Landtagswahlen, führt über den verstärkten Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen und kommt dazu, den Themen Nachhaltigkeit, umweltfreundliche Verkehrspolitik und gesunde Ernährung weitaus mehr Bedeutung beizumessen.

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CONTRA: Die CDU war mit ihrer Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer stark gestartet und hat es dann, auch durch ständiges parteiinternes Sticheln, selbst verpatzt. Jetzt gilt es, den Rücken gerade zu machen und wieder die Ruhe in die Partei zu bringen, die die CDU immer ausgezeichnet hat, meint Martin Brüning.

Der Abgang von Annegret Kramp-Karrenbauer ist von der CDU selbstverschuldet worden und absolut unnötig. Die frühere saarländische Ministerpräsidentin hatte sich nach mehreren Regionalkonferenzen durchgesetzt, um die die Partei viele beneidet hatten. Da blitzte eine neue CDU auf, die in einem fairen Verfahren auf die Suche nach einer neuen Führungskraft ging und dabei zugleich deutlich machte, wie groß die Qualität der potenziellen Spitzenkräfte in der Union ist.

Annegret Kramp-Karrenbauer lieferte sich mit Jens Spahn und Friedrich Merz einen fairen Schlagabtausch, der wesentlich gehaltvoller war als der Überbietungswettbewerb auf den über 20 Regionalkonferenzen der SPD. Während auf der CDU-Bühne drei Kandidaten standen, denen man die Führung der Partei zutrauen konnte, sah man bei der SPD im Herbst viele mittelmäßige Kandidaten, die alle ihr Päckchen zu tragen hatten. Immerhin allerdings gab es auch hier eine Auswahl, während der Rücktritt des FDP-Vorsitzenden Christian Linder jetzt nur noch verhindert werden konnte, weil man in der engeren Führung der Liberalen aktuell niemandem außer dem angeschlagenen Lindner den Job so richtig zutrauen mag.

Die Taktik der parteiinternen Nadelstiche gegen die Führung geht am Ende zulasten der eigenen Partei und ihres Spitzenpersonals.

Hatte die CDU mit den Regionalkonferenzen noch alles richtig gemacht, begann danach die Zeit der Patzer. Damit sind nicht in erster Linie die Fehler Kramp-Karrenbauers selbst gemeint. Sie hat nach dem Rezo-Video nicht richtig reagiert und verschlief den Debattenbeginn um den Klimawandel. Aber während ihr der Fehltritt bei einer Karnevalsveranstaltung immer noch vorgehalten wird, redet niemand mehr darüber, dass der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck in einem Fernsehinterview hanebüchenen Unsinn über die Pendlerpauschale erzählte und auf Twitter ausgerechnet den Thüringern indirekt attestierte, kein „offenes, freies, liberales, demokratisches Land“ zu sein. Im Nachhinein übrigens ein Treppenwitz. Dennoch sind manche Parteivorsitzende in der Medienöffentlichkeit eben gleicher. Für das gesamte Spitzenpersonal gilt indes: Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Nicht ein Stein würde an dieser Stelle fliegen.


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Hinzu kamen schwerwiegende Planungsfehler der Partei. Das Festhalten an Kanzlerin Angela Merkel, während sich AKK allein mit der Partei abmühte, war ebenso wenig ein kluger Schachzug wie die Übernahme des Verteidigungsministeriums. Noch schwerer wiegt aber das unwürdige Spiel der parteiinternen Gegner. Die Stärke der CDU war immer, dass sie sich geschlossen hinter die Parteiführung stellen konnte und im Gegensatz zur SPD keine Opposition in den eigenen vier Wänden hatte.

Diesen christdemokratischen Konsens haben der JU-Vorsitzende Tilman Kuban und der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, aufgegeben. Sie haben die Niederlage von Friedrich Merz nicht verwunden und trieben daraufhin dasselbe Spiel, das der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert schon mit der SPD vorgespielt hatte. Die Taktik der parteiinternen Nadelstiche gegen die Führung geht am Ende zulasten der eigenen Partei und ihres Spitzenpersonals. Das politische Umherirren der thüringischen CDU-Landtagsfraktion war am Ende nur noch der Tropfen, der Fass zum Überlaufen brachte.

https://soundcloud.com/user-385595761/kampf-um-den-cdu-vorsitz-nur-ein-kandidat-ist-mit-putin-auf-augenhoehe

Wohin jetzt? Dass Friedrich Merz für den Vorsitz nicht geeignet ist, hat er mit seinem Verhalten nach der eigenen Wahlniederlage bewiesen. Er ist weder ein verlässlicher Parteifreund noch bringt er die Antworten auf die wichtigen Fragen der Zukunft mit. Was nutzen der CDU die zwei Prozentpunkte an Wählern, die man durch Merz möglicherweise von der FDP abzieht, wenn man zugleich deutlich mehr Wählerinnen abschreckt, die mit dem schwarz-gelben Merz, der wie ein Politiker von gestern wirkt, vermutlich nur wenig anfangen können.

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Wenn aber Jens Spahn zu jung (und vielleicht auch zu konservativ) und Markus Söder zu bayerisch ist, bleibt nur noch Armin Laschet übrig. Er könnte der Richtige sein, um die unruhig gewordene Partei wieder auf einen Weg der Mitte zu führen. Allerdings sollte die CDU nicht dieselben Fehler wie bei Kramp-Karrenbauer wiederholen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es wieder keine schnellen Schnitte geben wird, sondern die bisherige Vorsitzende erst einmal als „lame duck“ im Amt bleiben wird. Und auch der oder die neue Vorsitzende wird wieder mit einer allmächtigen Kanzlerin an der Seite keinen leichten Stand haben. Es muss klar sein: Mit dem Wechsel an der Spitze muss es auch einen zeitnahen Wechsel im Kanzleramt geben. Die „Besonnenheit und Ruhe“, die sich der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann am Montag wünschte, gehen im hektischen Berliner Betrieb an der Realität vorbei.


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Ein inhaltlicher Kurswechsel wird derweil nicht nötig sein. Die CDU tut gut daran, den Rücken einfach mal wieder gerade zu machen, sich weiter klar gegen die politischer Ränder nach links und rechts abzugrenzen und den eigenen Kurs selbstbewusst zu vertreten. Nötig ist allerdings, sich von Angela Merkel zu entkoppeln und in den Bereichen, in denen die CDU ohne Zweifel Kompetenzen hat, klar Position zu beziehen. Die Christdemokraten sind die Volkspartei, die eine klare Kante in der Innenpolitik mit einer modernen Wirtschaftspolitik und einer sinnhaften und unideologischen Umweltpolitik verbinden kann. Das muss man dann aber auch einmal durchhalten und darf sich nicht von Umfragen treiben lassen.

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