Offiziell heißt die Parole in der Regierung „tiefer hängen“. Trotzdem wird am Dienstag Finanzminister Gerald Heere selbst vor die Presse treten und den neuen Entwurf des Nachtragshaushaltsplans verkünden. Es gehe um „rein technische Fragen“, wird unisono aus der rot-grünen Koalition dazu erzählt. Die beiden Regierungsparteien hätten keineswegs vor, jetzt schon Geld für ihre politischen Projekte in den Haushalt zu schreiben, heißt es auf den Landtagsfluren.

Foto: Grüne/Sven Brauers

Was das angehe, werde der Etat für das Jahr 2024 anvisiert – und dessen Entwurf wird erst Anfang Juli in einer Klausurtagung der Landesregierung diskutiert und abgestimmt. Dieses Signal „tiefer hängen“ richtet sich damit wohl auch an die Mitglieder der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen: Sie sollen in den parlamentarischen Beratungen über den Nachtragshaushaltsplan für 2023 möglichst die Füße still halten und sich Wünsche nach zusätzlichen Ausgaben verkneifen. Nichts kann die rot-grüne Koalition nach den ersten 100 Tagen im Amt derzeit weniger gebrauchen als ein öffentliches Ringen der Fachpolitiker um weitere Ausgaben für gewünschte Projekte.

Trotzdem sind Zweifel am Wahrheitsgehalt der kolportierten Aussage angebracht, es gehe in diesem Nachtragshaushaltsplan nur um „rein technische Fragen“. Der Blick auf einige Detailfragen bekräftigt diese Zweifel:

Energie-Soforthilfen nicht nur für Notfälle? 

Ende November hatte Rot-Grün im ersten Nachtragsetat 970 Millionen Euro bereitgestellt, mit denen Wirtschaftsunternehmen, Tafel-Unterstützung, Krankenhaus-Hilfen und Beratungshilfen bezahlt werden sollten. Offenbar ist in vielen Fällen das Geld bisher nicht abgerufen worden, die Bildung lokaler Härtefallfonds etwa (50 Millionen Euro) ist bisher landesweit ausgeblieben. Vielerorts wird der Bedarf gar nicht mehr gesehen. Bisher hatte das Finanzministerium die Hoheit über diese 970 Millionen Euro, nun könnte das an die einzelnen Ressort übertragen werden. Fraglich ist, ob die Ressorts dann auch die Chance erhalten, das Geld innerhalb ihres Etats umzuschichten. Wenn ja, könnten damit Projekte bezahlt werden, die – anders als im November geplant – nicht im Zusammenhang mit den Nothilfen in der Energiekrise gehören.



Geld für Windenergie-Hafen Cuxhaven? 

Zwischen 300 und 360 Millionen Euro kostet der Ausbau des Hafens Cuxhaven, der zur Drehscheibe für den Transport von Windkraftanlagen werden soll. Die Hafenwirtschaft will ein Drittel tragen. Das Land Niedersachsen hofft auf 100 Millionen Euro vom Bund, hat aber noch keine Zusage. Möglich wäre, dass die Landesregierung jetzt werbewirksam 100 Millionen Euro an Landesmitteln verspricht in der Hoffnung, dass der Bund dann ebenso mitzieht und sich auch beteiligt. Erwartungsvolle Augen richten sich in diesem Zusammenhang auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Rot-Grün könnte Geld für Cuxhaven abzweigen aus den 200 Millionen Euro, die Ende November ohne nähere Zweckbindung für die ökologische und ökonomische Wirtschaftsförderung bereitgestellt wurden.

Neue Stellen für die Ministerien? 

Mit dem Nachtragsetat hätte die Regierung die letzte Möglichkeit in diesem Jahr, in den Ministerien neue Stellen zu schaffen. Nach dem Regierungswechsel wird in fast allen Ministerien ein Bedarf gesehen. Ungelöst ist bisher der Konflikt zwischen Wirtschafts- und Kultusministerium zu den Stabsstellen, die der jeweilige Vize-Ministerpräsident für sich beanspruchen können soll. 2017 hatte Althusmann 26 Stellen erhalten, davon aber die meisten für den Bereich Digitalisierung. Ob es nun fünf oder mehr als 15 Stellen sind, die der neuen Vize-Ministerpräsidentin Julia Hamburg zustehen, teilt die Geister. Außerdem gibt es offenbar Hemmungen im Kultusressort, die noch im Wirtschaftsministerium tätigen Leute, die unter Althusmann gekommen waren, zu übernehmen. Die Lösung könnte darin bestehen, dass neue Stellen geschaffen werden – dann könnten die bisherigen Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium bleiben, Kultusministerin Julia Hamburg könnte neue berufen. Eine Lösung böte sich dann womöglich auch an für Vize-Regierungssprecher Gert Hahne (CDU), der Anspruch auf eine Verwendung als Abteilungsleiter hat.

Neue Schulden über Konjunkturkomponente? 

Mit Spannung schauen alle Finanzpolitiker auf die Steuerschätzung im Mai. Weil die Inflation sich leicht abgemildert hat, das Wirtschaftswachstum aber schwächelt, wird allgemein mit Mindereinnahmen statt Mehreinnahmen gerechnet. Denkbar wäre in dieser Lage vermutlich aber auch, zusätzliche Kredite nach der Konjunkturkomponente einzuplanen. Wie es heißt, könnten diese bis zu 900 Millionen Euro betragen. Offen ist, ob die Landesregierung diesen Weg einschlagen will.