Der Umgang mit der Inklusion in niedersächsischen Schulen bleibt zwischen SPD und Grünen auf der einen und CDU und FDP auf der anderen Seite hoch umstritten. Rot-Grün machte am Mittwoch im Landtag deutlich, dass man einem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zur Inklusion so nicht zustimmen werde. Der Gesetzentwurf besteht aus einem Satz im niedersächsischen Schulgesetz: „Bestehende Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen können im Sekundarbereich I weitergeführt werden.“

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt attestiert der CDU einen „Rückfall in alte Muster der Segregation“ – Foto: MB.

Der CDU-Bildungspolitiker Kai Seefried sagte, man wolle mit dem Gesetzentwurf in der Diskussion eine Brücke bauen. „Das ist ein erster, sehr leichter Schritt zu mehr Wahlfreiheit für Eltern und Schüler. Es ist ein kleiner Satz, der aber in seiner Bedeutung ganz viel bewegen kann“, sagte Seefried. Die Landesregierung solle damit aufhören, Eltern zu verbieten, ihr Kind auf die gewünschte Schule zu schicken. Deshalb sollten die aktuell 150 Förderschulen im Bereich Lernen erhalten bleiben. Rot-Grün betreibe eine „Inklusion ohne Wahlfreiheit“. Seefried verteidigte im Landtag den Plan des CDU-Spitzenkandidaten Bernd Althusmann für ein einjähriges Moratorium bei der Inklusion. „Es ist ein Märchen, dass die CDU eine Rolle rückwärts bei der Inklusion vollziehen wolle. Wir wollen den Druck herausnehmen. Deshalb brauchen wir ein Moratorium.“

Lesen Sie auch:

 

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Björn Försterling, warf SPD und Grüne eine ideologische Schulpolitik vor. „Warum entscheiden sich immer mehr Eltern für die Inklusion? Weil sie es müssen und keine Wahl haben. Versündigen Sie sich nicht an den Kindern“, mahnte Försterling in seiner Rede. Man wolle nicht aus der Inklusion aussteigen und den Kindern auch keine Chancen nehmen.

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt bezeichnete die CDU-Gesetzentwurf dagegen als „Rückfall in alte Muster der Segregation“. Mit dieser Rolle rückwärts versuche die CDU die Umsetzung der schulischen Inklusion zu torpedieren. Mit dem Festhalten an der Förderschule Lernen wolle die CDU die Inklusion schrittweise abbauen. „Und wenn Sie behaupten, Ihr Vorschlag sei ein leicht umzusetzender Schritt, dann ist das nichts als Augenwischerei“, kritisierte Heiligenstadt die CDU. Die Schulträger hatten die Schulstruktur vor Ort in den vergangenen Jahren angepasst und 53 Förderschulen im Bereich Lernen geschlossen. Es sei schulorganisatorisch äußerst waghalsig, diese Entscheidungen in Zweifel zu ziehen. Wer zwei Systeme unterhalten wolle, der müsse auch beide Systeme voll ausstatten.

https://soundcloud.com/user-385595761/inklusion-das-stort-johanne-modder-an-bernd-althusmann

Dass das gelingt, bezweifelt auch Heiner Scholing, schulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. „Es ist unehrlich auszublenden, dass Doppelstrukturen auf lange Sicht nicht finanzierbar sind“, sagte Scholing im Landtag. Zudem sei die Förderschule für die Schüler nie ein Schonraum gewesen. „Es hat einen Preis, einen hohen Preis“, so Scholing. Es sei vollkommen richtig gewesen, das Auslaufen der  Förderschule Lernen in der Sekundarstufe fortzusetzen. Der SPD-Abgeordnete Christoph Bratmann forderte, nicht über die Schulstruktur, sondern über die Qualität zu debattieren.

Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL/VDR) forderte derweil, über die Möglichkeit, punktuell Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen bestehen lassen zu können, ergebnisoffen zu diskutieren. „Die bisherige Praxis hat gezeigt, dass es immer wieder Schüler mit einer Lernschwäche gibt, die sich in kleineren Lerngruppen besser gefördert fühlen als in den recht großen Lerngruppen an den Regelschulen im Sekundarbereich I, insbesondere bei deren derzeitig schlechter personeller Ausstattung“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. „Die Politik sollte nicht aus ideologischen Gründen streiten, sondern konstruktiv zusammenarbeiten“, forderte der Verbandsvorsitzende Manfred Busch.