Die Summe, die der Staat jährlich dafür ausgibt, ist riesengroß – aber der Erfolg beim Versuch, die eigentlich Zahlungspflichtigen zur Kasse zu bitten, bleibt bescheiden. Es geht um die Unterhaltspflicht, die ein Elternteil gegenüber seinen Kindern hat, die beim getrennten Partner leben. Gestern haben Sozialministerin Carola Reimann (SPD), Städtetag-Geschäftsführer Dirk-Ulrich Mende und Landkreistag-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer einen „Niedersächsischen Rückgriffspakt“ geschlossen.

Dabei geht es um Qualitätsstandards, die künftig in den kommunalen Jugendämtern immer dann angewandt werden sollen, wenn säumige Väter (in den wenigsten Fällen Mütter) für ihre Kinder keinen Unterhalt zahlen wollen. 84.000 Kinder und Jugendliche bekommen in Niedersachsen derzeit Unterhalt, ein Betrag von 218,4 Millionen Euro wurde an den jeweils alleinerziehenden Elternteil ausgezahlt. Lediglich 13 Prozent dieser Summe haben sich die Behörden von dem nicht zahlungsbereiten Elternteil zurückgeholt – auf 190 Millionen Euro bleibt der Staat jährlich sitzen, obwohl andere dafür aufkommen müssten.

Jeder Schritt kommt in einer Akte

Der „Rückgriffspakt“ enthält eine Checkliste, die den zuständigen Kommunalbehörden vorliegt und dort abgearbeitet werden soll: Die Fachliteratur zum Unterhaltungs- und Vollstreckungsrecht soll in den Ämtern vorrätig sein, es soll interne Fallbesprechungen geben, um Schwachstellen zu erkennen – auch unter Leitung eines Regionalbeauftragten, der sich um das Unterhaltsvorschussgesetz und seine Umsetzung kümmert. Beschäftigte sollten regelmäßig in Familienrecht geschult werden.

Die Mütter sollen verpflichtet werden, frühzeitig genaue Angaben zur Adresse und Erreichbarkeit des säumigen Vaters zu machen. Dieser soll mit Termin- und Fristsetzung aufgefordert werden, Angaben zu seinen Lebensverhältnissen zu machen – möglichst beim persönlichen Erscheinen im Amt. Falls er sich weigert, soll es ein Ordnungswidrigkeitsverfahren geben. Binnen sechs Wochen, also zügig, soll nach Eingang des ausgefüllten Fragebogens entschieden werden, ob und wieviel der Vater zu zahlen hat. Ein Titel soll erwirkt werden, damit der Anspruch notfalls auch gerichtlich eingefordert werden kann.

Jeder Schritt soll in einer Akte vermerkt und festgehalten werden. Bei Rückständen sollen Zinsen geltend gemacht werden. Die frühe und konsequente Sammlung aller Dokumente in einer Akte soll bei womöglich später nötigen gerichtlichen Forderungen an die Betroffenen hilfreich sein. Indem sie jährlich bei den Betroffenen anmahnen, den Unterhalt zu zahlen, sollen die Jugendämter sicherstellen, dass keine Ansprüche verfallen.

Der Unterhaltsvorschuss wird zu 40 Prozent vom Land, zu 40 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent von den Kommunen gezahlt. Klappt es mit dem neuen „Rückgriffspakt“, mehr Väter zur Erfüllung ihrer Pflicht zu bewegen, so sollen zwei Drittel der Mehreinnahmen nach Mitteilung von Reimann in den Kommunen verbleiben, das restliche Drittel soll an den Bund gehen. Städtetag-Geschäftsführer Mende sagte: „Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit die Kosten dafür trägt, dass einzelne sich vor ihrer Pflicht drücken.“ Landkreistag-Hauptgeschäftsführer Meyer ergänzte: „Wir können es nicht zulassen, wenn sich einzelne in die Büsche schlagen.“


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Der Landesrechnungshof hatte schon 2015 gravierende Mängel in einigen Kommunen festgestellt. So schwanke der Erfolg der Kommunen bei Rückforderungen zwischen 12 und 41 Prozent – vor allem wegen Qualitätsmängeln in den Jugendämtern. In einer Stichprobe, die 2012 gezogen wurde, hatten zwei Kommunen gar nicht nachgefragt, wenn ein säumiger Vater „nicht leistungsfähig“ angegeben und die Zahlung verweigert hatte. Vier Kommunen hätten in diesen Fällen keine Nachweise vom Betroffenen verlangt und sechs hätten im nächsten Schritt darauf verzichtet, ihre Forderung bei Weigerung des Vaters auch – notfalls gerichtlich – durchzusetzen. Sechs Kommunen hätten nicht konsequent und zeitnah nachgeforscht, womit die Forderung mit der Zeit verwirkt worden sei, und zwar noch vor Ablauf der Verjährungsfrist.