Das lange erwartete Ergebnis der Ermittlungen gegen Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok wurde am Mittwoch von der Staatsanwaltschaft Hannover verkündet – und es endet für den 54-jährigen SPD-Politiker besonders bitter. Schostok wird „wegen Untreue in besonders schwerem Fall“ angeklagt. Gleiches gilt für den früheren Büroleiter Frank Herbert und für den ehemaligen Personaldezernenten Harald Härke. Härke hatte entschieden, für Herbert eine Zulage von 1400 Euro monatlich zu zahlen, obwohl dies nach dem Beamtenrecht gar nicht erlaubt ist.

Hannover-OB Stefan Schostok informiert SPD-Chef Stephan Weil über aktuelle Zahlen (Archivbild) – Foto: MB.

Schostok soll davon, wie die Staatsanwaltschaft erklärt, spätestens seit April 2017 gewusst haben. Er hatte aber nichts unternommen, diese Zahlungen zu stoppen. Zwischen April 2015 und Mai 2018 sind mindestens 50.000 Euro auf diese Weise an Steuergeldern zu Unrecht überwiesen worden. Untreue in schweren Fällen kann mit einer Freiheitstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden. Nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft muss jetzt das Landgericht Hannover entscheiden, ob ein Gerichtsverfahren eröffnet wird.

Verliert Schostok jetzt den SPD-Bezirksvorsitz?

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft wird in landespolitischen Kreisen in Hannover als „größter anzunehmender Unfall“ gewertet. Manche hatten vorher damit gerechnet, es könne womöglich zu einer Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage kommen. Die Ermittler sind aber offenbar auf klare Hinweise eines Fehlverhaltens des OB gestoßen. Damit nimmt der Druck auf Schostok enorm zu. Hinter vorgehaltener Hand erklärten mehrere SPD-Politiker dem Politikjournal Rundblick, der Oberbürgermeister sei „nicht mehr zu halten“ und solle die Wege für einen Abgang einläuten – damit dann in frühestens drei Monaten die Bürger Hannovers zur Neuwahl des OB aufgefordert werden könnten.

Auch bei der Neuwahl des SPD-Bezirksvorstandes beim Parteitag am 22. Juni in Lüneburg solle Schostok nicht mehr kandidieren. Hier wird bereits offen darüber spekuliert, dass der Laatzener Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch neuer Chef des SPD-Bezirks, der etwa die Hälfte aller niedersächsischen SPD-Mitglieder betreut, werden soll. Zu den wenigen, die offen für Konsequenzen Schostoks eintreten, gehört der frühere Landtagspräsident Rolf Wernstedt. Er sagte gegenüber dem Rundblick: „Es ist jetzt Schostoks Aufgabe, sich zu entscheiden. Jeder, der als Repräsentant einer Stadt oder einer Partei tätig ist, muss Schaden von denen abwenden, die ihn in diese Position gewählt haben.“

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Für eine Ablösung Schostoks als OB gäbe es zwei Wege. Nach Paragraph 82 der Kommunalverfassung kann der Rat mit Dreiviertelmehrheit ein Abwahlverfahren einleiten. Widerspricht der OB binnen einer Woche nicht, so würde er als abgewählt gelten. Widerspricht er doch, so müsste der Rat erneut mit Dreiviertelmehrheit abstimmen – und dann innerhalb von vier Monaten die Wähler aufrufen, über die Abwahl abzustimmen. Erfolgreich wäre das, wenn mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen und die Mehrheit von ihnen für die Abwahl ist. Erst danach, wieder mit mehreren Monaten Vorlauf, könnte ein neuer OB vom Volk gewählt werden.

Einfacher wäre der Weg nach Paragraph 84 der Kommunalverfassung. Der OB könnte wegen fehlenden Vertrauens in seine Amtsführung von sich aus die Ablösung beantragen, wieder müssten drei Viertel des Rates zustimmen – bei Erreichen dieser Mehrheit wäre er abgewählt und die Vorbereitungen für eine OB-Neuwahl durch das Volk könnten starten. Das könnte wohl frühestens im August geschehen. Ein so kurzes Verfahren setzt aber die Mitwirkung Schostoks voraus. Wie viele seiner Parteifreunde berichten, ist der Oberbürgermeister aber absolut von seiner eigenen Unschuld überzeugt, sieht kein Fehlverhalten und dürfe deshalb auch keine Bereitschaft zeigen, seine Abwahl oder Ablösung selbst zu erleichtern.

Hannoversches Ampel-Bündnis bröckelt

Unterdessen beginnt seine Ratskoalition aus SPD, Grünen und FDP zu bröckeln. FDP-Ratsfraktionschef Wilfried Engelke erklärte, Schostok solle „den Weg für Neuwahlen freimachen, damit es in Hannover ohne Ballast weitergehen kann“. Die Grünen-Ratsfraktion beriet bis gestern Abend darüber, ob sie von Schostok heute den Amtsverzicht fordern soll. Die Vorsitzende Freya Markowis sieht eine eklatante Führungsschwäche Schostoks. Auch in der Spitze der Niedersachsen-SPD wird der Fall Hannover mit Sorge beurteilt. Aus der Umgebung von Ministerpräsident Stephan Weil heißt es aber, man habe bereits jemanden ausgeguckt, der Kandidat der Sozialdemokraten für den erwarteten Fall der Neuwahl werden kann.

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Schostok selbst äußerte sich am Abend, er vertraue der Justiz und werde sich zum Verfahren „nicht äußern“. Dann fügte er hinzu: „Wie in den vergangenen Monaten werde ich weiterhin meine Verantwortung für die Landeshauptstadt als direkt gewählter Oberbürgermeister in vollem Umfang wahrnehmen.“