Für rund 759.000 junge Menschen beginnt am Donnerstag das neue Schuljahr. Zudem werden etwa 82.000 Kinder am Sonnabend in die erste Klasse eingeschult. Damit liegt die Schülerzahl noch einmal höher als im Vorjahr und erreicht einen neuen Rekordwert von prognostizierten 841.000 Schülern an Niedersachsens Schulen. Einen Höchststand erwartet das Kultusministerium auch bei den Lehrern. Von den 1753 ausgeschriebenen Stellen konnten bis zur Vorstellung der Zahlen am Mittwochvormittag 1427 besetzt werden, darunter 83 Quereinsteiger, wie Kultusministerin Julia Hamburg (Grüne) mitteilte.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) hat am Mittwoch in der Landespressekonferenz Zahlen zum neuen Schuljahr vorgestellt.

Dabei verwies sie darauf, dass die Besetzungsverfahren andauerten und auch die Schülerzahlen noch nicht absolut zu erfassen seien – weshalb eine Erhebung der Unterrichtsversorgung erst zu einem späteren Zeitpunkt folgen werde. Grund für die Ungewissheiten zum Schulstart sind auf Schülerseite mögliche Rückzieher seitens der Eltern, die ihre Kinder zuerst angemeldet haben, aber dann womöglich doch noch für ein Jahr im Kindergarten lassen wollen, oder eine andere weiterführende Schule ausgewählt haben. Bei den Lehrkräften sorge der Arbeitnehmermarkt dafür, dass vermehrt daraufgesetzt werde, doch noch eine Anstellung an der favorisierten Schule zu bekommen, und sich Besetzungsverfahren deshalb in die Länge zögen.

Kultusministerin Hamburg kündigte in diesem Zusammenhang an, künftig ein Anreizsystem schaffen zu wollen, bei dem Lehrern die Beschäftigung an der Wunschschule garantiert werde. Sie müssten dann im Gegenzug vorher an einer anderen, häufig ländlichen Schule mit Personalmangel tätig werden. „Solidarität unter den Schulen ist hier angebracht“, sagte sie. So viel kann aber zum jetzigen Zeitpunkt schon gesagt werden: Die Lehrerstunden reichen noch nicht aus, um die stetig wachsenden Bedarfe durch steigende Schülerzahlen, Ganztag, Inklusion und Sprachförderung zu decken.

Den Beginn des neuen Schuljahres nutze Hamburg dazu, weitere bildungspolitische Maßnahmen anzukündigen:

Entfristung für „Startklar“-Kräfte: Fachkräfte aus dem zur Bewältigung der Corona-Folgen gedachten „Startklar“-Programm erhalten entfristete Arbeitsverträge. 60 Schulsozialarbeiter und 36 Schulpsychologen sollen so dauerhaft im Schuldienst gehalten werden. Auch für die im Zusammenhang mit „Startklar“ angestellten Minijob-Kräfte soll es weitergehen, kündigte Hamburg an. Hier wolle man aber zunächst schauen, welche Strukturen sich in der Pandemie-Zeit ausgebildet hätten und wie diese sinnvoll weitergeführt werden sollen.

Pensionäre werden angeschrieben: Um kurzfristig die Zahl der Lehrerstunden zu erhöhen, setzt Niedersachsens Landesregierung auf die verstärkte Weiterbeschäftigung von pensionierten Lehrkräften. Um diese zu erreichen, sollen zunächst diejenigen kontaktiert und mit Informationsmaterial versorgt werden, die gerade im Begriff sind, den Schuldienst zu verlassen. Eine Kontaktaufnahme zu jenen, die bereits pensioniert sind, sei wegen der fehlenden Meldedaten schwierig, erklärte Hamburg. Es werde nun geprüft, wie im Zusammenspiel mit der gesamten Landesverwaltung die Entlohnung der pensionierten Beamten verändert werden könnte.

Schonung für Lehrer: Im Zusammenhang mit der Fachkräfteerhaltung strebt die Landesregierung eine Aufstockung des Budgets für das sogenannte „Care“-Programm für Lehrkräfte an. Die Gesunderhaltung der vorhandenen Kräfte sei wichtig, sagte Hamburg. Auch die Arbeitspsychologie solle in den Blick genommen werden. Zudem solle zeitnah das „Berufsbild Lehrkraft“ definiert werden, damit Klarheit über Zuständigkeiten hergestellt wird. So will man Überforderungen von Lehrern vermeiden.

Weniger Quereinsteiger: Die Zahl der Quereinsteiger unter den neuen Lehrern fällt mit sechs Prozent geringer aus als zuvor. Das habe auch damit zu tun, dass nicht alle, die wollen, fachlich geeignet sind – oder dass diejenigen, die könnten, nicht unter den gegebenen Bedingungen eingesetzt werden wollen, erläuterte Hamburg. Zur Erleichterung eines Quereinstiegs werde ab diesem Sommersemester mit den Universitäten an Modellen gearbeitet, wie Studenten berufsbegleitend ein zweites Fach nachstudieren können, um die für den Schuldienst benötigte Zwei-Fächer-Kombination vorzuweisen. Im Bereich des Werkunterrichts will das Kultusministerium verstärkt auf sogenannte Praxislehrkräfte setzen.



„Freiräume“-Prozess angestoßen: Kultusministerin Hamburg startet den Prozess der von ihr bereits angekündigten Qualitäts- und Gestaltungsdebatte. Es gehe darum, „Freiräume“ zu schaffen und zu nutzen, um die Qualität von Bildung in Niedersachsen zu erhöhen. Dazu gibt das Ministerium zunächst eine Broschüre heraus, die den Schulen bereits bestehende Gestaltungsspielräume aufzeigen soll. Im Herbst oder Winter soll dann der Austausch mit den Fachverbänden der Lehrer beginnen, in dessen Verlauf erörtert werden soll, welche anderen Möglichkeiten sich die Experten aus der Praxis wünschen: mehr Flexibilität bei der Berufsorientierung, Freiheiten bei der Themensetzung, projektbezogenes Arbeiten, jahrgangsübergreifender Unterricht oder alternative Prüfungsformate beispielsweise.

Informatik-Pflichtunterricht startet: Im zehnten Schul-Jahrgang beginnt in Niedersachsen nun der Informatik-Unterricht. 440 Fachlehrer habe man dazu im Dienst, 250 wurden bereits weiterqualifiziert und 150 weitere stünden kurz vorm Abschluss dieses Prozesses. Weitere Lehrer unterrichten derzeit fachfremd. Das Ziel sei es, durch Fortbildungen an den Studienseminaren bald ausreichend Informatik-Lehrer zur Verfügung zu haben.