Zwei klagende niedersächsische Beamte, die mit Unterstützung des Niedersächsischen Beamtenbundes (NBB) vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen waren, haben gestern einen großen Erfolg errungen. Zwar verkündete der zweite Revisionssenat unter dem Vorsitzenden Richter Ulf Domgörgen noch kein Urteil, dies soll kommenden Dienstag geschehen. Aber in der Verhandlung ließ Domgörgen keinen Zweifel daran, dass das Gericht die niedersächsischen Regeln für die Besoldung der Landesbeamten für verfassungswidrig hält. Damit dürfte ein Vorlagebeschluss folgen: Der Revisionssenat wird das Bundesverfassungsgericht bitten, über die Vereinbarkeit der niedersächsischen Beamtenbesoldung mit dem Grundgesetz zu entscheiden. Bis es dort zu einem Urteil kommt, dürfte mindestens noch ein Jahr vergehen.

Leipziger Richter bringen Politik ins Grübeln

Allerdings bringt die gestrige Verhandlung vor dem Leipziger Gericht die Politiker schon ins Grübeln. Im vergangenen Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg schon Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beamtenbesoldung angemeldet, allerdings nur bezogen auf das Jahr 2013. Die Bundesrichter sehen das jetzt aber viel drastischer, sie beziehen sich auf die Jahre von 2005 bis 2016 – also die elf Jahre, in denen das Land Niedersachsen seinen Landesbeamten das Weihnachtsgeld gestrichen hatte.

Im Grunde gilt das auch für in der Klage ausgeklammerten Jahre 2017 und 2018, da die Regel seit 2016 nicht verändert wurde. Die Richter hatten sich auf fünf Vergleichsmaßstäbe des Bundesverfassungsgerichts von 2015 bezogen. Dabei geht es um die Kontrast der Beamtenbesoldung zur Bezahlung der Angestellten im öffentlichen Dienst, zur allgemeinen Lohnentwicklung, zur Inflationsentwicklung, zur Besoldung in anderen Bundesländern und es geht um die Abstände zwischen den einzelnen Gehaltsgruppen. Die Lüneburger Oberverwaltungsrichter sagten 2017 noch, in drei dieser Parameter müsse eine erhebliche Abweichung festzustellen sein, um einen Verstoß gegen die Verfassung festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht argumentierte gestern anders und sah dies auch schon bei zwei Parametern als gegeben an. Dies sei durch die Bank auch der Fall beim Vergleich mit den Tarifbeschäftigten und mit der Nominallohnentwicklung. Die vom Beamtenbund unterstützten Kläger wurden vor Gericht vom hannoverschen Anwalt Ralph Heiermann vertreten.


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Spannend ist nun, was geschehen sollte, wenn das Bundesverfassungsgericht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts teilen und die niedersächsischen Besoldungsregeln für grundgesetzwidrig erklären sollte. Zunächst könnten dann die rund 67.000 Beamten und Pensionäre (von insgesamt 190.000), die über die Jahre regelmäßig Widerspruch gegen ihre Besoldungsbescheide erhoben hatten, mit einer Nachzahlung durch das Land rechnen. Wie hoch der Anspruch in jeder Besoldungsgruppe im Jahr ist, müsste das Bundesverfassungsgericht dann detailliert angeben – dabei ist für die Geringverdiener ein ausreichender Abstand zum Sozialhilfeniveau zu berücksichtigen, darauf aufbauend aber für jede höhere Stufe eine finanzielle Mindestdistanz zu der darunter liegenden.

Land drohen massive Mehrkosten

Ginge man von durchschnittlich 500 Euro je Person und Jahr aus, so fiele ein Betrag von 368 Millionen Euro an. Würde man alle Beamten und Pensionäre berücksichtigen, nicht nur jene, die damals Widerspruch eingelegt hatten, so läge der Betrag bei einer Milliarde Euro. Davon unabhängig könnte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil außerdem eine Aufstockung der Beamtengehälter in Niedersachsen anmahnen. Das könnte dann, wenn es entsprechend vom Land umgesetzt würde, jährliche Mehrkosten 95 Millionen Euro nach sich ziehen.

Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Martin Kalt, zeigte sich gegenüber dem Politikjournal Rundblick zufrieden mit dem am Dienstag bevorstehenden Urteil. Er danke vor allem seinem Vorgänger Friedhelm Schäfer, der immer wieder auf juristische Schritte gegen die Beamtenbesoldung gedrängt habe. Der Landesregierung biete man eine „politische Lösung“ an, also eine Verständigung über eine Aufbesserung der Beamtengehälter. Darauf habe sich aber Finanzminister Reinhold Hilbers in einem Gespräch mit den Vertretern der zum Beamtenbund zählenden Gewerkschaften „bislang nicht eingelassen“, sagt Kalt.