Die Debatte tobt bundesweit, und auch in Niedersachsen wollen sich die Landtagsfraktionen positionieren. Unlängst hatte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer angekündigt, die Abstimmung im Landtag frei geben zu wollen, wenn es um einen – eigentlich nachrangigen – Entschließungsantrag geht. „Auch in der CDU sind wir nicht alle einer Meinung“, sagte Toepffer jetzt zu Beginn einer Expertenanhörung in der Fraktion. Speziell geht es um den Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches, wonach sich strafbar macht, wer Schwangerschaftsabbruch-Dienste zum Zweck des eigenen Vermögensvorteils „anbietet, ankündigt oder anpreist“. Geht es nach der überwiegenden Mehrheit von SPD, Grünen und FDP, dann ist diese Bundesvorschrift eigentlich überholt. Die in Paragraph 218a geregelte Abtreibung werde nicht bestraft – folglich dürfe man auch den Hinweis darauf nicht verfolgen. Die hannoversche Rechtsprofessorin Susanne Beck drückte es gestern so aus: „Man kann doch nicht das Anpreisen einer Handlung bestrafen, die selbst nicht unter Strafe steht.“

Obwohl nun auch in der CDU einige diese Auffassung teilen, werden von anderen auch viele Vorbehalte laut. Woran das liegt, erklärt Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track von der Konföderation der evangelischen Kirchen. Abtreibung sei nicht legal, sie werde nur nicht rechtlich sanktioniert. Immer sei eine Abwägung zwischen zwei sehr hohen Rechtsgütern notwendig, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens. Die Befürworter einer Aufhebung des Werbeverbots argumentieren, die Schwangeren in einer Notsituation bekämen nicht genügend Informationen, wo sie eine Abtreibung vornehmen lassen können. Sie würden so in die Hände windiger Geschäftemacher getrieben. Deshalb gehöre das Werbeverbot abgeschafft.

Dagegen allerdings wenden sich nicht nur Gäfgen-Track von der evangelischen Kirche, sondern auch Noreen van Elk vom Katholischen Büro und Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Wenker sagt, sie plädiere für ein zentrales Portal im Internet, das entweder von der Bundesärztekammer oder den Landesärztekammern gepflegt wird. Dort sollten alle Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, ihre Adressen angeben. Allerdings hat die Befragung in der Ärzteschaft gezeigt, dass nur ein knappes Viertel dazu bereit war, knapp die Hälfte sich aber weigern will, die Namen zu veröffentlichen. Gibt es in der Praxis also keine Angebote für Frauen, die eine Abtreibung suchen? „Das kann nicht sein“, wendet die CDU-Abgeordnete Mareike Wulf ein: „Ich habe im Internet gesehen, dass allein für Hannover mehrere Hinweise auf zur Abtreibung bereitstehende Ärzte gegeben wird.“


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Trotzdem gewinnt die Debatte über den Sinn des Werbeverbotes an Fahrt. Da ist zum einen das „ethische Dilemma“, von dem Gäfgen-Track spricht: Die Ärzte wissen, dass die Abtreibung ein schwieriges Feld ist, sie wollen sich nicht offen dazu bekennen. Auf der anderen Seite seien Frauen in Not, erklärt Uta Engelhardt von der „Pro Familia“: Die Zurückhaltung der Ärzte erschwere die Möglichkeit, sich zu informieren – und dann würden viele an zunehmend militante Abtreibungsgegner geraten, was ihre Situation noch zusätzlich erschwere. Soll also doch die Bestimmung im Paragraphen 219a verändert werden, damit sich mehr Ärzte als bisher trauen, ihre Bereitschaft zum Schwangerschaftsabbruch offen zu erklären und damit den Frauen Hilfe anzubieten? In der Diskussion der CDU-Landtagsfraktion erklärt Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann, er sei noch unschlüssig: „Ich erkenne noch nicht, welchen Weg wir wählen sollten.“ Sowohl Wenkler als auch Gäfgen-Track und van Elk raten von der Änderung des Strafrechtsparagraphen ab, Beck sieht es anders.

Die CDU-Abgeordnete Gerda Hövel befürwortet einen Kompromiss: Der Sinn des Paragraphen 219a sei ja, das Gewinnstreben mit Abtreibungsangeboten zu unterbinden, nicht die Hilfe für Frauen in Schwierigkeiten. Deshalb sei es eine mögliche Variante einer Reform, künftig lediglich das „Anpreisen“ der Werbung zu untersagen und nicht mehr, wie bisher, auch das Anbieten und Ankündigen. Das könne mehr Klarheit schaffen, meint Hövel. Die SPD im Landtag plädiert inzwischen mehr oder weniger offen für die komplette Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 219a. Sie könnte damit in der nächsten Landtagssitzung eine gemeinsame Mehrheit mit FDP und Grünen für eine Entschließung erreichen – und die CDU in den Schatten stellen. Einige Strategen in der CDU sehen das mit Missfallen, da die Christdemokraten dann als die Verlierer dastehen könnten.