Von Niklas Kleinwächter

Am Donnerstag beginnen nun auch in Niedersachsen die Sommerferien. Doch für viele Kinder und Jugendliche werden die kommenden sechs Wochen anders ablaufen als sonst. Nicht nur die meisten Urlaube sind gestrichen, auch Freizeiten, Zeltlager und Ferienangebote vor Ort fallen der Corona-Pandemie zum Opfer. Bis zu 7000 Sommerfreizeiten hätte es laut Kinder- und Jugendkommission des Landes in diesem Jahr geben sollen, doch aufgrund der strengen Corona-Beschränkungen, die für die Jugendarbeit in weiten Teilen noch gelten, können fast alle Angebote nicht stattfinden. Der Landesjugendring Niedersachsen beklagt, dass die zaghaften Lockerungen erst sehr spät gekommen und dann viel zu kurzfristig bekanntgegeben worden seien. Kaum ein Anbieter habe so schnell auf die neuen Vorgaben reagieren können.

Statt Lagerfeuer in der Gruppe gibt es in diesem Jahr nur eine digitale Nachtwanderung – Foto: gilaxia

Zuletzt habe das Land die Jugendverbände zudem erneut düpiert, indem das Kultusministerium in Kooperation mit der evangelischen Kirche das Projekt der „Lernräume“ ankündigte. Während die Jugendverbände keinerlei finanzielle Unterstützung für ihre größere Belastung aufgrund der Corona-Einschränkungen bekämen, baue das Land mit 3,5 Millionen Euro eine Parallelstruktur zur klassischen Jugendarbeit auf, beklagte etwa Björn Bertram, Geschäftsführer des Landesjugendrings. Die Jugendverbände sehen sich als Spielball der Landesregierung. Auf ihre Kritik sei auch noch selten eine Antwort gekommen. Ihre Leistung sei kleingeredet oder ignoriert worden. Junge Menschen würden allzu schnell auf ihr Dasein als Schüler reduziert.


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Dennoch: Die Jugendarbeit zeigt sich in dieser Krise äußerst kreativ. In vielen Regionen des Landes wurden Aktivitäten geplant, die den Corona-Sommer für Kinder und Jugendliche sowie für deren Eltern angenehmer gestalten sollen. Bereits in den Osterferien startete die „Deutsche Jugend in Europa“ (DJO) die Mitmach-Aktion „Jugendarbeit im Schuhkarton“. Dabei bekamen alle Jugendlichen, die sich eigentlich zu einer Ferienfreizeit angemeldet hatten, einen Schuhkarton mit allerlei Material zugeschickt. In den darauffolgenden Tagen und Wochen konnten sie dann kreativ werden und die Pappschachtel mit ihren schönsten Erinnerungen aber auch neuen Ideen für die Jugendarbeit ausgestalten. Das Ganze war als Wettbewerb angelegt und wurde auch über die sozialen Netzwerke begleitet. Auch die Jugendleiter beteiligten sich an dieser Aktion, um sie für die Jüngeren, die zuhause blieben, noch attraktiver zu gestalten.

Zuhause-Zeltlager und digitale Nachtwanderung

Im Sommer setzen nun noch mehr Anbieter auf dezentrale Aktivitäten, die über ein Online-Angebot verbunden werden sollen. Die Jugendkonferenz in Apensen (Landkreis Stade) hat beispielsweise das „Zuhause-Zeltlager“ entwickelt. Statt des klassischen Zeltlagers in den Sommerferien laden die Veranstalter dazu ein, sich in den kommenden Wochen zumindest mit den besten Freunden oder den Geschwistern zuhause ein Zelt aufzubauen und darin eine Zeit lang zu wohnen. Wer keinen Garten hat, solle das Zelt ruhig in den eigenen vier Wänden aufbauen, schlagen die Organisatoren vor. Auch eine Höhle aus Decken und Kissen zähle dazu. An drei Tagen soll dieses dezentrale Zeltlager dann zu einem virtuellen werden. Dabei soll es dann Live-Anleitungen für Bastelaktionen oder für das Bauen von Pfeil und Bogen geben.

Außerdem haben sich die Veranstalter eine digitale Nachtwanderung einfallen lassen, an der sich die teilnehmenden Jugendlichen sogar aktiv einbringen können. Doch wie funktioniert das? „Die Nachtwanderung wird bereits im Voraus gefilmt und dann der Teilnehmergruppe live im Internet gezeigt“, erklärt Ole Klindworth aus dem Vorstand der Jugendkonferenz im Rundblick-Gespräch. „Im Laufe der Nachtwanderung haben die Teilnehmer dann die Chance, über den Verlauf der Geschichte selbst zu bestimmen, indem sie zwischen möglichen Fortsetzungen der Geschichte wählen.“ Damit das möglich ist, haben die Organisatoren im Vorfeld mehrere Handlungen gefilmt, die dann je nach Laune der Teilnehmer eingespielt werden. „Die Teilnehmer sollen das Gefühl haben, live dabei zu sein“, sagt Klindworth.

Im Emsland bewerben Influencer Jugendangebote

Vielerorts wird zudem daran gearbeitet, all jene Angebote deutlich hervorzuheben, die es auch trotz der Corona-Beschränkungen in diesem Jahr geben kann. Einige Städte wie etwa Wolfsburg haben dazu die Angebote verschiedener Träger gesammelt und veröffentlichen den Katalog gebündelt auf einer einzigen Homepage. So muss man nicht lange suchen und kann sich verschiedene Programmpunkte auswählen.

Einen Schritt weiter geht man derweil im Emsland. Dort haben sich das Jugendbildungswerk Mastall Clemenswerth und das Jugendkloster Ahmsen mit dem dortigen Kreisjugendring zusammengetan. Die Organisationen haben alle „Corona-tauglichen Angebote“ zusammengetragen und gut strukturiert veröffentlicht. Hinzu kommt noch eine besondere Ergänzung. Während der gesamten Sommerferien werden dreimal pro Woche die unterschiedlichen Anbieter, Projekte und Aktionen speziell im Internet vorgestellt und beworben. Zu diesem Zweck wurde eigens ein neues Instagram-Profil eingerichtet, über den regionale „Influencer“, die passenderweise „Emsfluencer“ getauft wurden, ihre Videos zu Jugendgruppen, Zeltlagern oder Spiel- und Bastelideen verbreiten.


Die Jugendarbeit zeigt in der andauernden Corona-Krise ihren Einfallsreichtum. Doch für Bertram vom Landesjugendring ist klar: Die Alternativprogramme können den Ausfall der ursprünglich geplanten Aktivitäten kaum ersetzen. „Hätte es frühzeitig mehr Klarheit über die Rahmenbedingungen für Jugendangebote im der Corona-Verordnung gegeben und würden diese Regelungen in der Jugendarbeit das ermöglichen, was in anderen gesellschaftlichen Bereichen möglich ist, gäbe es in den Sommerferien sicherlich mehr Angebote für Kinder und Jugendliche als jetzt.“