Der Sozialverband Deutschland (SoVD) bemängelt in Niedersachsen Rückschritte bei der Inklusion an Schulen. Dem Verband missfällt vor allem, dass die Große Koalition die Auflösung der Förderschule Lernen bis zum Jahr 2028 ausgesetzt hat. Dadurch werde die Inklusion auf die lange Bank geschoben, bemängelt Adolf Bauer, Landesvorsitzender des SoVD in Niedersachen im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. „Die Regierung spricht zwar von einer ‚Atempause. Unserer Meinung nach ist es allerdings ein Rückschritt, durch den ganze Jahrgänge verloren gehen. Nichts wird besser, nur weil man länger wartet“, so Bauer. Gerade bei der Förderschule Lernen sei die Pause nicht nachvollziehbar. Hier sei der Übergang im Vergleich aller Förderschulformen am leichtesten umsetzbar. Zum Beispiel seien keine baulichen Änderungen an den Regelschulen notwendig. An der Förderschule Lernen werden Kinder unterrichtet, die eine Lernbehinderung oder Lernschwierigkeiten in einem Teilbereich haben. Das betrifft zum Beispiel Kinder mit ADHS,  Dyskalkulie oder Legasthenie.

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Bauer hält wenig von der Argumentation der Großen Koalition, die den Fortbestand der Förderschule Lernen auch mit dem Elternwahlrecht begründet. Für den SoVD-Landesvorsitzenden gibt es gar kein echtes Wahlrecht. „Das gäbe es nur, wenn zwei gleichwertige Systeme nebeneinander stünden, Eltern also eine echte Wahl hätten“, erklärt Bauer. So lange die inklusive Schule allerdings finanziell und personell nicht vernünftig ausgestattet sei, würden sich Eltern zwangsweise immer für die Förderschule entscheiden. Dabei fehle das Geld für die Inklusion auch, weil mit dem Fortbestand der Förderschule zwei parallele Systeme finanziert werden müssten. „Das bindet personelle und finanzielle Ressourcen, die in der inklusiven Schule sinnvoller eingesetzt werden können.“ Bauer verweist auf den Landesrechnungshof. Dieser habe auch festgestellt, dass rund 400 Millionen Euro in Niedersachsen im Bereich der Inklusion bislang ineffizient eingesetzt worden seien.

Einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion zufolge haben landesweit bis Mitte Juli 63 Schulträger einen Antrag auf Fortbestand einer Förderschule Lernen gestellt. Fünf Anträge wurden bisher abgelehnt, weil die Schulträger nicht belegen konnten, dass sie die erforderliche Mindestschülerzahl erreichen können. Sie liegt bei 13 Schülern pro Jahrgang. Abgelehnt wurde zum Beispiel der Antrag der Lindenschule in Sulingen (Kreis Diepholz), die laut Prognose im Durchschnitt aber nur auf 7,3 Schüler kommt. Bei der Schule am Hagedorn in Deensen (Kreis Holzminden) lagen lediglich drei Anmeldungen vor. Bei der Förderschule Lernen in Uelzen heißt es in der Antwort des Ministeriums: „Die Schule sollte ohne Schüler und Schülerinnen fortgeführt werden.“ Dagegen konnten 51 Schulträger belegen, dass sie die erforderliche Mindestschülerzahl erreichen können. So kommt zum Beispiel die Schule am Teichgarten in Wolfenbüttel laut Prognose auf knapp 20 Schüler pro Jahrgang, die Albert-Schweitzer-Schule in Cloppenburg auf über 21 und die Pestalozzischule in Celle auf fast 35. Über einige Anträge muss noch entschieden werden.