Die Landesregierung gibt sich weiter zurückhaltend bei den Sozialbetrugsfällen in der Landesaufnahmeeinrichtung in Braunschweig. Zwei Vertreter des Innenministeriums und zwei Juristen aus dem Justizministerium traten gestern vor dem Innenausschuss auf, doch die Opposition bohrte vergeblich nach, erhielt auf viele Fragen keine Antworten. Auch bei den Maßnahmen, die künftig vor Sozialbetrug schützen sollen, blieben die Regierungsvertreter äußerst vage. In der Union ist man verärgert über diesen Schachzug der Regierung. Die CDU hatte schon mit dem Gedanken an einen Untersuchungsausschuss gespielt – das geschieht auch künftig.

Bei wie vielen der 520 Verdachtsfälle hat sich Sozialbetrug herausgestellt? Keine Ahnung, sagten Vertreter des Innenministeriums im Landtagsausschuss– Foto: Jakob Brüning

Die Union hatte die Unterrichtung beantragt, um Auskunft zu den Punkten zu bekommen, auf die das Innenministerium bei der Beantwortung einer 88 Fragen umfassenden Anfrage der Abgeordneten Editha Lorberg nicht eingegangen war. Eigentlich hatte die CDU Innenminister Boris Pistorius persönlich befragen wollen, doch eine Vorladung scheiterte an der Weigerung von Rot-Grün. Dirk Verleger, Referatsleiter der Fachaufsicht für die Landesaufnahmebehörden im Innenministerium, wies zu Beginn der Befragung schon darauf hin, dass er kaum mehr Informationen geben könne, die über die schriftliche Antwort auf die Anfrage hinausgehen könnten.

Besonders die Fragen zu dem Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung und seiner Stellvertreterin seien Teil der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen und dürften deshalb nicht besprochen werden. Bei anderen Nachfragen gaben sich die Vertreter des Innenministeriums unwissend. So habe das Ministerium keine Informationen darüber, bei wie vielen der 520 Verdachtsfälle sich ein Sozialbetrug herausgestellt hat. Zudem erklärte das Ministerium, keine Übersicht darüber zu haben, wie hoch der durch den Sozialbetrug entstandene finanzielle Gesamtschaden ist. „Das ist schlichtweg nicht glaubhaft“, sagte die CDU-Abgeordnete Lorberg.

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Bei der Befragung sprach Verleger auch über Maßnahmen, die künftig Sozialbetrug verhindern oder zumindest erschweren sollen. Doch auch hier blieben Fragen offen. Niedersachsen sei das einzige Bundesland, das in einer konzertierten Aktion gegen künftige Sozialbetrugsfälle vorgehe, denn man gehe davon aus, dass die Vorfälle in der Landesaufnahmeeinrichtung Braunschweig kein nur lokales Problem sind. „Es gibt sowohl eine landesweite Expertengruppe wie auch lokale Gruppen aus Vertretern von Polizei und Landesaufnahmebehörden“, sagte Verleger. Diese fungierten als Ansprechpartner für die Kommunen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. „Hier haben wir den Eindruck, das funktioniert gut.“ Ob die Expertengruppen allerdings auch selbstständig aktiv würden, blieb offen. Darüber hinaus gebe es beim Landeskriminalamt eine Arbeitsgruppe, die ein Konzept für eine Musterakte erstellen soll. Ob darin aber genetische Merkmale wie Fingerabdrücke zur Pflicht würden und wie und von wem sie erstellt werden soll, darauf ging der Vertreter des Innenministeriums nicht weiter ein.

Der innenpolitische Sprecher der FDP, Jan-Christoph Oetjen, wies darauf hin, dass in Braunschweig eine Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde den Sozialbetrug aufgedeckt hat. Damit das Bekanntwerden solcher Fälle nicht mehr dem Zufall zu überlassen bleibt, sollten daher ab dem 2. Mai Fingerabdruckscanner in den Kommunen eingeführt werden, um Mehrfachidentitäten ausschließen zu können. Verleger bestätigte, dass das geplant sei, allerdings nicht verpflichtend. Jede Kommune könne selbst entscheiden, ob sie sich vom Land einen entsprechenden Scanner leiht. „Wir bieten das an, doch in den Kommunen gibt es nicht durchgehend den Wunsch danach“, sagte Verleger. Nur Hildesheim habe bisher einen Scanner verlangt. „Die Kommunen sollten bei der Bekämpfung von Sozialbetrug wichtige Partner sein, deshalb müsste das Land eigentlich ein Interesse daran haben, sie so schnell wie möglich auszurüsten“, sagte die CDU-Abgeordnete Lorberg. Das sei ein konsequenter und nachhaltiger Umgang mit der Thematik.

Doch sie habe das Gefühl, die Landesregierung verschleppe die Aufklärung weiterhin. „Diese Unterrichtung war inhaltslos und überhaupt nicht das, was wir gefordert hatten“, sagte Lorberg gegenüber dem Rundblick. Vor allem das Schweigen über das finanzielle Ausmaß habe sie verblüfft. „Der Bürger hat ein Recht darauf, das zu erfahren.“ Sie will sich nun auf die Unterlagen konzentrieren, die das Innenministerium für die Abgeordneten freigegeben hat. „Sollte das nicht zur politischen Aufklärung der Sache beitragen, werden wir wohl auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode noch einen Untersuchungsausschuss einsetzen müssen.“