Für die Errichtung der Pflegekammer wäre nach Ansicht von Sozialministerin Carola Reimann der Einsatz von Landesmitteln doch sinnvoll gewesen. Das hat Reimann am vergangenen Freitag im Landtag deutlich gemacht. „In Zeiten von sehr günstigen Finanzierungsmöglichkeiten auf dem Kreditmarkt erschien 2015 ein Einsatz von Steuermitteln nicht erforderlich. Dieser Einschätzung ist damals auch der Landtag gefolgt. Die Einschätzung stellt sich heute anders dar“, sagte Reimann. Auch der SPD-Sozialexperte Uwe Schwarz gestand ein, Rot-Grün habe damals einen Fehler gemacht, als die „angedachte Anschubfinanzierung für die Pflegekammer nicht umgesetzt wurde. Eine neue Körperschaft kann nicht aus dem Nichts entstehen. Sie braucht Startkapital für den Verwaltungsaufbau, sonst ist sie nicht handlungsfähig. Hier sind Nachbesserungen erforderlich, sagte Schwarz.

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Die Landesregierung sollte nach Ansicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Anja Piel die Kammerbeiträge der Mitglieder bis zum Ende der geplanten Evaluation übernehmen. Das sei ein faires Angebot für die Pflegekräfte und die Kammer. Auch Piel gestand ein, es sei ein Fehler gewesen, der Kammer keine Anschubfinanzierung zu geben. Jetzt aber lasse Sozialministerin Carola Reimann Pflegekräfte und Pflegekammer im Regen stehen. Genau das warf der CDU-Sozialpolitiker Volker Meyer den Grünen vor. „Sie wollen sich als großer Retter der Pflegekammer zeigen. Dabei sind Sie für das ganze Dilemma mitverantwortlich.“ Meyer warnte davor, „die Fehler der Vergangenheit mit Geld zuzudecken“. Das Land solle sich tunlichst verkneifen, mit Steuergeldern in die Selbstverwaltung der Kammer einzugreifen.

Auch Stephan Bothe von der AfD kritisierte, den Grünen „fliege ihre Fehlentscheidung von damals um die Ohren.“ Das werde sich auch durch die Forderung nach einer zeitweisen Übernahme der Kammerbeiträge nicht nachkorrigieren lassen.

Das Land solle sich tunlichst verkneifen, mit Steuergeldern in die Selbstverwaltung der Kammer einzugreifen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner forderte im Landtag erneut eine Vollbefragung der Kammermitglieder. „Das ist auch eine politische Diskussion und Entscheidung. Die Zukunft der Pflegekammer sollte nicht den Gerichten überlassen werden“, sagte Birkner. Der FDP-Politiker attestierte der Großen Koalition, Angst vor einer solchen Befragung zu haben. SPD und CDU lehnten eine Vollbefragung ab. Ein Drittel der Pflegekräfte sei noch gar nicht registriert, argumentierte Meyer.

Auch Uwe Schwarz sagte, bei einer Befragung würden zu diesem Zeitpunkt 30.000 noch nicht registrierte Pflegekräfte protestieren, dass sie jetzt nicht befragt würden. Schwarz befürchtet in so einem Fall eine neue Protestwelle. Er bezeichnete den FDP-Antrag als „Budenzauber“ und warf den Liberalen vor, seit Monaten bei diesem Thema „zu zündeln, wo es nur geht“.

In einem Schreiben aus dem Büro des SPD-Sozialexperten an Fragesteller zum Thema Pflegekammer geht hervor, dass Schwarz der Meinung sein könne, eine konzertierte Aktion stecke hinter den Protesten. Im Schreiben heißt es: „Bei allem nachvollziehbaren persönlichen Ärger über die Beitragseinstufung und Beitragsbenachrichtigung wurde sehr schnell deutlich, dass die ursprünglichen Pflegekammer-Gegner diese Stimmung nutzen wollen, um die im Aufbau befindliche Pflegekammer doch noch zu kippen. Eine eigenständige emanzipierte Interessenvertretung der Pflegekräfte liegt nicht im Interesse einiger Verbände und Leistungsanbieter.“