Wenn der direkte Weg zum Tor durch eine Brandmauer versperrt ist, muss man den Ball wohl mit ganz viel Effet drum herum zirkeln. So lautete am vergangenen Mittwoch der Matchplan der AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, die kurz vor Ende der Plenarsitzung im Kampf gegen die Windkraft auf ein überraschendes Golden Goal spekulierte. Mit viel Anlauf hatte die Mannschaft rund um Spielführer Stefan Marzischewski einen Antrag ins Spiel gebracht, nach dem der Ausbau von Windkraft in den niedersächsischen Tourismusregionen gestoppt werden soll.

Die Chancen, damit bei der rot-grünen Parlamentsmehrheit einen Treffer zu landen, waren schon dem Titel nach in etwa so aussichtsreich wie bei einem Schuss aufs gegnerische Tor vom eigenen 5-Meter-Raum. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Klaus Wichmann, sagte jedoch: „Halt‘ mein Bier!“ und verlagerte den Ort der Schussabgabe sogar noch nach außerhalb des Stadions, indem er die Liste der Tourismusregionen in Niedersachsen doch ziemlich – sagen wir mal – umfänglich anlegte.

Die niedersächsischen Urlaubsregionen bestehen laut der AfD nämlich aus der Region Hannover, der Nordsee, der Lüneburger Heide, dem Harz, dem Weserbergland, dem Osnabrücker Land, dem Emsland, dem Braunschweiger Land, Ostfriesland, dem Oldenburger Münsterland, dem Land zwischen Elbe und Weser, der Mittelweser sowie der Grafschaft Bentheim. Übrig bleibt da meiner Rechnung nach nur noch der südlichste Zipfel des Landes rund um Northeim und Göttingen, der jenseits der Elbe gelegenen Landesteil mit dem Amt Neuhaus und der Celler Südkreis. Viele Windkraftanlagen hätten da nicht gerade Platz…

Es wird Sie daher nicht überraschen, dass der AfD-Antrag nicht oben im Winkel einschlug, sondern vielmehr wie der Freistoß eines F-Jugendspielers in der Mauer des FC Barcelona hängenblieb. AfD-Tourismusexperte Marcel Queckemeyer wollte das aber irgendwie nicht hinnehmen und grätschte per Kurzintervention so unfair nach, dass er daraufhin von Landtagsvizepräsident Marcus Bosse dreimal verwarnt werden musste und daraufhin aus dem Plenum flog. Immerhin erwies sich Queckemeyer insofern als fairer Sportsmann, dass er die Gelb-Gelb-Rote Karte anstandslos hinnahm und protestlos den Saal verließ. Auch seine AfD-Fraktion zeigte sich fortan sehr diszipliniert und ließ sich gar nicht anmerken, dass sie die letzten 25 Minuten des Spieltags in Unterzahl spielen musste.

Turbulente Szene im Landtagsplenum: Marcel Queckemeyer (AfD, am Rednerpult) grätscht gegen Jonas Pohlmann (CDU, nicht im Bild) und wird daraufhin von Schiedsrichter Marcus Bosse (SPD, oben Mitte) vom Spielfeld geworfen. | Screenshot: Plenar-TV

Wie genau sich die wohl umstrittenste Szene der jüngsten Plenarwoche zugetragen hat, lesen Sie heute im Rundblick. Die Schwerpunkte der Ausgabe sind allerdings andere:

• Neuer Plan: Mit einer kleinen, aber feinen Änderung des Haushaltsgesetzes will Rot-Grün die Schuldenbremse nachjustieren.

• Neues Bewusstsein: Um Hepatitis C als ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit zu eliminieren, fordern Experten verstärkte Maßnahmen in Niedersachsens Haftanstalten.

• Neue Hoffnung: Vor einem Jahr haben sich auch Aktivisten und Politiker aus Niedersachsen dem Protest gegen das Regime im Iran angeschlossen. Die Welle der Unterstützung ist immer noch nicht verebbt – im Gegenteil.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link