Es ist wieder so weit: An diesem Freitag muss Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) einmal mehr in die parlamentarische Manege steigen und dort gezielt die verbalen Tortenwürfe der Opposition parieren. Am letzten Tag des ersten Plenarabschnitts im Quartal stellt sich der MP den Fragen des Parlaments, wobei für gewöhnlich die regierungstragenden Fraktionen weniger Wissensdurst haben als die übrigen.

Entlehnt aus dem angelsächsischen Raum, probieren es die Niedersachsen seit einiger Zeit auch mit diesem konfrontativen Format. Aber leider ist das meistens zum Scheitern verurteilt. Das kann natürlich an der vielgelobten Detail- und Fachkenntnis des Ministerpräsidenten liegen. Vielleicht sind es aber auch strukturelle Hürden, die die Fragestunde verlässlich zur Flaute werden lassen.

Inspiration aus dem Unterhaus. | Foto: RockingStock via Getty Images

Die politische Kultur eines Landes drückt sich immer auch in der Architektur des Parlamentes aus. In Deutschland findet man deshalb am häufigsten die parlamentarische Bestuhlung im Halbrund vor. Dieser gegenüber sitzt das Präsidium, zu dessen Seiten die Regierung Platz nimmt. So weit, so zahm.

Ganz anders ist das derweil bei den Briten, die den Parlamentarismus doch maßgeblich vorgeprägt haben. Dort blicken sich die unterschiedlichen Lager direkt in die Augen. Die Regierung sitzt zur Rechten mit dem „Prime Minister“ und seinem Kabinett in den vorderen Reihen. Die loyale Opposition sitzt links und wirft den Mehrheitsführern derbe Sprüche an den Kopf. In der Mitte sorgt der „Speaker“ lautstark für „Order“ und vor ihm steht ein Tisch, der die Kontrahenten stets eine Schwertlänge weit voneinander entfernt hält, selbst wenn sie erregt von ihrer grün gepolsterten Bank aufspringen und ans Rednerpult schnellen.

Vom Feuer der politischen Wortgefechte, wie man sie aus dem Unterhaus gewohnt ist, bleibt in Hannover kaum eine glimmende Glut. Schuld daran ist womöglich die rigide Begrenzung der Fragemöglichkeiten pro Fraktion. Aber auch der lange Weg vom Sitzplatz zum Saalmikrophon nimmt hier wohl sämtlichen Wind aus den Segeln.

Vielleicht ist es ja an der Zeit, bei den parlamentarischen Traditionen noch einmal nachzubessern. Ein Journalistenkollege schlug die Tage vor, dabei Anleihen am Zweitligafußball zu nehmen. Dort haben „Fans“ erst kürzlich ihren Unmut über Investorentätigkeiten dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie (ausgerechnet) Tennisbälle auf das Spielfeld geworfen haben. Dass gelangweilte Medienvertreter demnächst aus Protest über einen allzu lahmen Schlagabtausch ihre Kugelschreiber in den Plenarsaal pfeffern, kann ich mir allerdings noch nicht vorstellen…

Wie die Befragung des Ministerpräsidenten an diesem Freitag ausgefallen sein wird, lesen Sie dann am Montag im Rundblick (Abo hier) oder schon zuvor auf www.rundblick-niedersachsen.de. Heute berichten wir aber zunächst über diese Themen:

• Falschaussage von Wahlmann? Die CDU wollte von der Justizministerin wissen, ob sie angesichts der Personalengpässe die Eingangsvoraussetzungen für Staatsanwälte abgesenkt habe. Wahlmann verneinte, doch die CDU wittert darin eine Falschaussage.

• Gentechnik aus Europa? Die Deregulierung der „neuen Gentechnik“ bereitet den Grünen im Landtag sorgen. Die AfD teilt ihren Wunsch nach Risiko-Erforschung, während SPD und CDU eher zuversichtlich auf die neuen Techniken blicken.

• Industriepolitik von links? Die Friedrich-Ebert-Stiftung fragt, ob Deutschland schon wieder der kranke Mann Europas ist. Peter Bofinger antwortet: „Die deutsche Wirtschaft kann nicht mit Lindners Rezepten genesen.“

Ich wünsche Ihnen, dass alle Menschen mit Widerworten heute eine Schwertlänge Abstand von Ihnen halten!
Ihr Niklas Kleinwächter