Neulich stand ein Mann beim Bäcker in der Schlange. Der Regen hatte eine kurze Pause gemacht und die Menschen standen bis zur Bordsteinkante an, um sich mit frischen Backwaren für das sonntägliche Frühstück zu versorgen. Es war Urlaubszeit, was heutzutage bedeutet, dass manche Bäcker einfach schließen müssen, weil die Belegschaft im Urlaub ist. Es sei ihnen gegönnt. Wer will, kann hieran jedoch den Beginn der Wohlstandsverluste sehen, vor denen in den Talkshows immer gewarnt wird. So aber konzentrierte sich die hungrige Meute auf nur diese eine Anlaufstelle wie die dürstenden Gnus am Wasserloch in der Savanne.

Die Hölle, das sind immer die anderen. | Foto: klyaksun via Getty Images

Als der Mann endlich an der Reihe war, bestellte er schnell seine drei Teile, zahlte und setzt dann noch einmal an. Die Bestellung für die Ostertage, an die eine große Anzeige an der Kasse erinnerte, wollte er auch schnell noch aufgeben. Es wurde langsam Zeit und der Bäcker hatte sonst nur vormittags während der Arbeitszeit geöffnet. Der Mann war sogar vorbereitet und hatte alles parat: Name, Telefonnummer, Anzahl der einzelnen Brötchensorten.

Aber dann wurde es kompliziert. Körnerbrötchen gab’s im Dreierpack reduziert, Milchbrötchen je im Paar vergünstigt, erklärte der neue Verkäufer. Wie viele wären das denn dann insgesamt? Wobei: Ob es die Milchbrötchen auch in der darauffolgenden Woche noch im Sonderangebot geben werde, wisse er gerade gar nicht, da müsse er noch einmal in der Zentrale anrufen.

Der Mann überlegte schon, die Milchbrötchen von der Liste zu streichen oder einfach den vollen Preis zu zahlen, denn das Schnauben in der Schlange hinter ihm war deutlich zu vernehmen. Doch der Backwarenhändler war schon verschwunden und erkundigte sich (dem Wortwechsel nach zu urteilen nicht zum ersten Mal an diesem Morgen) in der Zentrale, wie es sich mit den Sonderkonditionen verhält.

Das Angebot gilt auch noch an Ostermontag, konnte er verkünden. Vier Stück also? Ja, bitte. Doch dann widersprach die Kasse: Am Ostermontag sind die Milchbrötchen offenbar gar nicht mehr im Sortiment. Noch lauteres Murren in der Schlange.

Dann eben Croissants stattdessen. Jetzt einfach schnell den Vorgang abschließen. Die Mistgabeln pieken schon im Rücken.

Kassenzettel nicht vergessen, den brauchen Sie beim Abholen, damit es dann ganz schnell geht. Alles klar. Aber überprüfen Sie bitte noch mal, ob ich alles richtig eingegeben habe. Was?

Das war zu viel.

„Ich wurde hier jetzt schon viel zu lange aufgehalten“, beklagte sich ein älterer Herr, der aber auch wieder nicht so alt war, dass er hätte fürchten müssen, das nächste Frühstück nicht mehr zu erleben. „Ja, tut mir leid“, sagte der Mann eher pflichtschuldig und vielleicht ein bisschen zu sarkastisch. „Das glaube ich Ihnen nicht“, feixte eine junge Frau, die noch viele Frühstücke vor sich haben wird. „Ja, ach…“, entgegnete der Mann ironisch – und verließ den Bäcker, ehe Schlimmeres passierte.

Sagen wollte er noch: „Was ist denn das Problem? Ich war beim Bäcker und habe Brötchen gekauft!“ Aber das hätte vermutlich nicht zur De-eskalation beigetragen. Die Nerven liegen blank – all überall.

Andere hätten diesen Groll wohl in sich hineinfressen müssen. Ich aber habe das Glück, all meinem Ärger auf andere Weise Luft machen zu können. Also schreibe ich noch am Frühstückstisch diese Kolumne. Jetzt ist der Kaffee kalt.

Ein kafkaeskes Schauspiel am Sonntagmorgen. Und Sartre wusste schon: Die Hölle, das sind die anderen. Aber vermutlich hat jede und jeder der Klagenden sein eigenes Kreuz zu tragen. Das quengelnde Kind im Tragetuch, die hungrigen Schwiegereltern zuhause auf der Couch, den SUV im absoluten Halteverbot. Was weiß denn ich … dann gibt’s in Zukunft halt doch nur Aufbackbrötchen aus der Fabrik.



Im Rundblick gibt’s derweil diese frisch aufgebrühten Schlagzeilen, wie die Kollegen von ApoFiKa so gerne sagen:

  • Digitale Verwaltung: Im Schatten von Cannabis und Wachstumschancen scheiterte am Freitag im Bundesrat die Novelle des Online-Zugangsgesetzes. Wir verraten, was das für die Landesverwaltung bedeutet.
  • Ärztekammer: Nils Frühauf und Ralf Noordmann mussten die Führungsetage der Ärztekammer Niedersachsen überraschend räumen. Lag es am Neubau oder vielleicht doch an einer Niederlage vor Gericht?
  • Wiederbelebte Gleise: Sieben stillgelegte Bahnstrecken in Niedersachsen sollen wieder in Betrieb genommen werden. Christian Wilhelm Link hat herausgesucht, wo bald wieder Züge fahren.

Kommen Sie entspannt durch den Tag!
Ihr Niklas Kleinwächter