Die Grundgesetzfeierlichkeiten haben am Dienstag deutlich an Fahrt aufgenommen mit der Vorstellung der Regierungskampagne im Gästehaus der Landesregierung. Als Jugendwort-Allergiker frage ich mich beim Anblick der Motive allerdings ernsthaft: Was los bei dir?

Keine Frage: Das ist schon gut gemeint, schließlich ist unser Grundgesetz richtig knorke. Aber was sich die Landesregierung mit den zivilgesellschaftlichen Playern da ausgedacht hat, mutet schon ein wenig cringe an.

Offensichtlich hat MP Stephan Weil, seitdem er bei TikTok (nicht am Tanzen) ist, die aktuelle Jugendkultur fest im Blick. Anders lassen sich die Plakate, mit denen das GG nun bejubelt werden soll, nicht erklären. Der Jugendschutz fragt sich: Darf er so?

Läuft bei Dir, liebe Landesregierung? | Foto: StK/Montage

Zu lesen sind so fancy Sprüche wie „Grundgesetz regelt“, „Unsere Verfassung ist stabil“, „Ohne Grundgesetz wären wir lost“, „Deine Würde ist safe“, „Slay wo du willst, wann du willst“ oder „Gleichberechtigung ist eine green flag“. Man liest den Plakataufdruck und hört dabei in seinem Kopf die warme Stimme von Susanne Daubner.

Haben Sie nichts verstanden? Kein Problem, denn zum Glück bietet die Landesregierung auf ihrer Website die Übersetzung gleich mit an. Sonst wären auch wir in der Rundblick-Redaktion echt lost gewesen, weil wir keinen blassen Schimmer hatten, was „NPC – nicht in unserer Demokratie“ überhaupt bedeuten soll.

Löppt, sagen die halb-erwachsenen Norddeutschen. | Foto: StK/Montage

Aber es wird natürlich an alle gedacht: Auch für die Generation 25+ wurden Plakate entworfen, die man als PDF herunterladen, ausdrucken und sich an den Kühlschrank pinnen kann. Dort liest man dann so leicht verständliche Sätze wie „Meine Würde ist unantastbar“ oder „Wir entscheiden, wer regiert“. Sowas kommt von sowas.

Wer dann doch noch einmal ganz genau nachlesen möchte, wie der fabelhafte Originalwortlaut aussah, für den stellt die Landesregierung auch einen Download bereit: einen Auszug aus dem Grundgesetz. Da beweist die Landesregierung insgesamt viel swag, ausgerechnet beim Original kommt dann lässiger Mut zur Lücke hinzu.

Als Außenstehender fragt man sich aber schon, wieso es für alle 146 Artikel plus Anhänge nicht mehr gereicht hat; warum zum Beispiel die Details der Arbeitsweise von Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung ausgespart werden mussten – während zugleich aber wichtig war, festzuhalten, dass Artikel 74 (1) 5 und 8 – regelt die konkurrierende Gesetzgebung, wie wir alle wissen – irgendwann mal weggefallen sind.

Eines immerhin hat man damit erreicht: Man redet drüber. Und das ist doch das wichtigste Ziel einer jeden Kampagne. Grundgesetz-Geburtstag? Läuft…



Rundblick läuft heute auch richtig, wir haben diese Themen für Sie:

  • Bauordnung: Der Plan der Landesregierung zur Novelle der Bauordnung stößt bei den Kommunalverbänden auf massive Bedenken.
  • Wahlmann: Die Justizministerin spricht im Rundblick-Podcast über unausgegorene Gesetze, familienfreundliche Parlamente, die Jumiko und Digitalisierung sowie Personalnot in der Justiz. Hier anhören
  • Spirituosen: Wie stellen sich Niedersachsens große Spirituosenhersteller auf? Christian Wilhelm Link verrät es.
  • Gleichberechtigung: Das Kabinett hat die Novelle des „Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes“ beschlossen und zur Verbändebeteiligung freigegeben.

Wir starten an diesem Mittwoch fresh ins Mai-Plenum – und ich hoffe, Sie auch!
Ihr Niklas Kleinwächter