Wenn bei einer Veranstaltung mehrere Reden auf dem Programm stehen, gilt irgendwann die alte Weisheit von Karl Valentin: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Selbst begabte Oratoren haben’s schwer, wenn ihnen die Vorredner bereits die besten Themen vor der Nase weggeschnappt haben.

„Das vierte Grußwort ist der Traum eines jeden Redners“, stellte Prof. Michael Leonhard Bienert am Dienstag bei der Eröffnung des Forschungsinstituts Data|H fest. Auch dank einer gehörigen Portion Selbstironie meisterte der BWL-Professor der Hochschule Hannover diese schwierige Aufgabe dennoch. Nur einmal redete er sich vermutlich bei den Kollegen um Kopf und Kragen, als er sagte: „Informatiker ist auch so ein bestimmter Menschenschlag – aber interessant und gut und absolut nützlich.“

Ein ungeschriebenes Gesetz aus dem Bereich der „Künstlichen Intelligenz“-Forschung: „Es gibt keinen Vortrag zum maschinellen Lernen, der nicht mit einem Katzenfoto beginnt“, weiß Prof. Lars Schmidt-Thieme von der Universität Hildesheim. Um seine Rede in der Hochschule Hannover möglichst kurz zu halten, wählte die KI-Koryphäe einen interessanten Ansatz: Schmidt-Thieme berichtete über die KI-Probleme, die er noch nicht lösen kann. | Foto: Link


Eventplaner sind jedoch gut beraten, wenn sie gerade bei Abendveranstaltungen die Pole Position nicht schon mit dem besten Rhetoriker besetzen, sondern sich die ein oder andere Stimmungskanone noch für später aufheben. Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum bietet sich da an. „Dritter Redner zu sein, hat auch seine Vorteile: Es wurden schon alle Gäste benannt“, meinte der SPD-Politiker beim äußerst prominent besetzten Parlamentarischen Abend der „Allianz für die Region“.

Kornblum nutzte seine Redezeit höchst effizient: Erst dankte er den Rettungskräften, die sich bei der jüngsten Brandkatastrophe im Braunschweiger Industriegebiet ausgezeichnet hatten, dann schwärmte er von seiner Heimatregion, die sich als Forschungsstandort von europaweiter Bedeutung hervortue, und schließlich verpasste er Hannover noch einen kleinen Seitenhieb: „Bei uns kann man sich abgucken, wie man intelligente Verkehrspolitik macht“, frotzelte er in Richtung Belit Onay. Außerdem verriet Kornblum freundlicherweise seine Leitlinien für eine gute Rede:


„Stehe aufrecht, damit dich jeder sieht. Rede laut, damit dich jeder hört. Und fasse dich kurz, damit dich jeder mag.“

Thorsten Kornblum gibt beim Parlamentarischen Abend der „Allianz für die Region“ wichtige Tipps für Redner, die weiter hinten in der Reihenfolge stehen. | Foto: Link


In diesem Sinne will ich nicht viel länger zwischen Ihnen und der Lektüre der heutigen Rundblick-Ausgabe stehen. Wir berichten über die gestrige Antisemitismus-Debatte im Landtag, den jüngsten Streit zwischen Hoteliers und Stadtverwaltung rund um die Bettensteuer in Hannover und vom Holocaust-Überlebenden Dr. med. Leon Weintraub. Der Mediziner hat sich bei seinem Vortrag bei der Ärztekammer Niedersachsen zwar nicht unbedingt kurz gefasst, berichtete aber so spannend, dass ihn am Ende trotzdem jeder mochte. Und eines beherrscht der 98-Jährige par excellence: Das aufrechte Stehen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link