Liebe Niedersachsen,

gestern Abend konnte man etwas über den Unterschied zwischen den Einheiten Prozent und Dezibel lernen. Als um 18 Uhr im Saal der SPD-Landtagsfraktion der Prognose-Balken der SPD die 37-Prozent-Marke durchschlug, erschallte ein Jubel, der deutlich lauter war als 37 Dezibel – denn das wäre höchstens ein lauteres Flüstern. Er lag gefühlt eher bei 100 Dezibel – Ghettoblaster-Lautstärke. Noch lauter wurde es, als Ministerpräsident Stephan Weil später am Abend auf der SPD-Wahlparty auftauchte:

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Seit 1998 war die SPD bei Wahlen in Niedersachsen nicht mehr stärkste Kraft, da können es, wenn sich der Jubel entlädt, gerne auch mal 120 Dezibel sein (Kettensäge, Presslufthammer, Gewitterdonner).

CDU-Landeschef Bernd Althusmann möchte gerne durch sein Leben tanzen, wie er der Zeitschrift „Bunte“ verraten hat. Ich bin in meiner Jugend beim Tanzunterricht während eines Walzers einmal gestolpert und hingefallen.

„Keinen Grund, jetzt in Sack und Asche zu gehen“: Bernd Althusmann – Foto: KW

Was mir damals beim Unterricht in einer Tanzschule in Berlin-Tegel passiert ist, ist Bernd Althusmann gestern politisch in Niedersachsen passiert. Der Unterschied zwischen Althusmann und mir ist allerdings, dass ich weich fiel. Ich landete – unglücklicherweise – auf meiner Tanzpartnerin, Althusmann auf dem harten Boden der politischen Realität.

Wenn sich heute der FDP-Landesvorstand trifft, sollte FDP-Landeschef Stefan Birkner mindestens so beweglich wie Althusmann sein, um die Angriffe frustrierter Liberaler zu umtänzeln. Denn die sind nicht nur mit dem schwachen Ergebnis – immer rund dreieinhalb Prozentpunkte unter dem Bundestrend – unzufrieden, sondern auch mit dem ihrer Meinung nach vorschnellen Ausschluss einer möglichen Ampelkoalition. So bliebe der FDP automatisch nur der Gang mit einer deutlich kleineren Fraktion in die fünfjährige Opposition – so hat sich das eine oder andere bei den Freien Demokraten nicht vorgestellt.

Viele draußen vor der Tür – vermutlich künftig auch vor der Tür der Landesregierung: die FDP – Foto: isc

Agrarminister Christian Meyer treibt sprüchetechnisch derzeit wirklich jede Sau durchs Dorf. Es werde „sauknapp, agrarpolitisch“, sagte er gestern, als noch nicht klar war, ob es für Rot-Grün am Ende doch noch reichen kann. „Die Wähler waren mit unserer Arbeit zufrieden“, sagte er auch, wobei das mit einem Minus von rund fünf Prozentpunkten bei die Wahl irgendwie eher relativ ist.

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Dennoch – und jetzt kommen drei Zahlen hinter dem Komma – haben die Grünen gezeigt, dass man mit Minus fünf Prozentpunkten und einem Ergebnis von 8,5 Prozent dennoch drittstärkste Kraft bleiben kann.

Bei der AfD gibt es nach dem für die Partei mauen Wahlergebnis übrigens schon wieder einmal Streit über den Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel. Wer das jetzt neu und überraschend findet, der war einfach in den vergangenen anderthalb Jahren nicht in Niedersachsen.

Nach einer langen und aufregenden Wahlnacht wünsche ich Ihnen einen guten Wochenstart

 

Martin Brüning