Im Dauerstreit um die Frage, wer neuer Präsident des Oberlandesgerichts Celle werden kann, hat die frühere Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte (Grüne) einen wichtigen Teilerfolg errungen. Ihre beiden Mitbewerber, Hannovers Landgerichtspräsident Ralph Guise-Rübe und Celles Generalstaatsanwalt Frank Lüttig, haben mit ihren Konkurrentenklagen in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg verloren. Lüttig gibt sich nun damit zufrieden, Guise-Rübe allerdings will eine Verfassungsbeschwerde einreichen.

Sein Argument lautet: Otte habe im November 2017 in der letzten Sitzung des alten rot-grünen Kabinetts nur deshalb als neue OLG-Präsidentin bestellt werden können, weil sie bei gleicher Beurteilung aller Bewerber mit B 9 das höchste Statusamt gehabt habe. Für dieses Amt der Staatssekretärin sei sie vorher aber nach politischen Kriterien (politische Zuverlässigkeit) und nicht den Kriterien des Beamtenrechts (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) ausgewählt worden – insoweit habe „kein faires Verfahren“ geherrscht. Das OVG Lüneburg widerspricht: Auch für Staatssekretäre würden Leistungskriterien gelten, das Prinzip der Bestenauslese sei hier zwar begrenzt, aber dennoch zu beachten.

Streit kann sich weiter zuspitzen

Der Streit kann sich nun zuspitzen. Wenn – wie erwartet – Guise-Rübe den Weg zum Bundesverfassungsgericht beschreitet, dürfte bis Oktober feststehen, ob Karlsruhe diese Beschwerde zur Prüfung annimmt oder verwirft. Im zweiten Fall könnte Otte dann die Ernennungsurkunde zur OLG-Präsidentin erhalten, im ersten Fall dürfte die Landesregierung die Position weiterhin nicht besetzen. Im Fall der Annahme der Verfassungsbeschwerde könnte es bis 2020 dauern, bis der Fall in Karlsruhe geklärt ist. Seit Ende Juli vergangenen Jahres, als Peter Götz von Olenhusen in Pension ging, ist die Führung des Gerichts vakant.

Wie es heißt, hat Guise-Rübe auch deshalb ein Interesse an einer Klärung vor dem höchsten deutschen Gericht, weil mit dem Fall eine Grundsatzfrage verknüpft sei – nämlich die, wie weit der politische Einfluss auf die Auswahl von Führungsentscheidungen in der Justiz gehen kann. Als Rechtsbeistand soll Guise-Rübe den anerkannten Verwaltungsrechtler Prof. Christian Kirchberg gewonnen haben.

OVG: Auch für Staatssekretäre gelten Leistungskriterien

Die Argumentation von Guise-Rübe lautet, kurz gefasst, so: Da alle drei Bewerber eine ähnlich positive Beurteilung erhalten hatten, war am Ende klar, dass das höhere Statusamt über die Besetzung der OLG-Stelle entscheidet – und das hatte die Staatssekretärin, da sie mit B 9 mit Abstand am besten besoldet ist. Staatssekretärspositionen werden als „politische Beamte“ aber nicht nach den normalen Auswahlverfahren festgelegt, sondern nach Entscheidungen der politischen Spitze – wobei eine besondere Nähe, auch parteipolitisch, zum jeweiligen Minister ein wichtiges Kriterium ist. Hier kommt hinzu, dass die Regierung die Ausschreibung auf niedersächsische Bewerber beschränkte, damit also Staatssekretäre aus anderen Ländern ausgegrenzt wurden. In der Darstellung von Guise-Rübe geschah das allein zu dem Zweck, Otte gegen unliebsame Konkurrenz zu schützen.

Die OVG-Richter widersprechen dieser Einschätzung: Auch eine Staatssekretärin sei Beamtin, auch bei ihrer Auswahl sei der Leistungsgrundsatz zu beachten gewesen – auch wenn das Prinzip der Bestenauslese hierbei „von vornherein begrenzt“ sei. Es sei „jedoch gleichwohl zu beachten“. Auch die Leistungen, die eine Staatssekretärin in ihrem Amt erbracht habe, seien bei einer Bewerbung für einen Richterposten zu gewichten. Immerhin seien bei ihr „mit gesteigerten Anforderungen ein größeres Maß an Verantwortung“ verbunden gewesen. Wenn die angekündigte Verfassungsbeschwerde angenommen wird, muss Karlsruhe prüfen, ob das OVG die beamtenrechtliche Rolle von Staatssekretären richtig beschrieben, oder die Zugangsvoraussetzungen für politische Beamte falsch eingeschätzt hat.