Soll das in Thüringen gelegene Eichsfeld, bisher ein selbstständiger Landkreis, an Niedersachsen angegliedert werden? Eine solche Forderung ist jüngst laut geworden, nachdem sich im Thüringer Eichsfeld großer Unmut über aktuelle Reformpläne der rot-rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) angestaut hat. Ramelows Konzept sieht vor, das Thüringer Eichsfeld mit dem Unstrut-Hainich-Kreis (Mühlhausen) zu fusionieren. Der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU) sagte kürzlich während einer Veranstaltung von etwa 1000 empörten Bürgern in Heiligenstadt, im Eichsfeld seien die Blicke „immer schon nach Hannover gegangen“, wenn es schwierig geworden sei. Dies wurde als Vorschlag gewertet, aus Protest gegen Ramelows Absichten Thüringen zu verlassen und einen Anschluss des Ost-Eichsfeldes an Niedersachsen anzupeilen. Seit dem Wiener Kongress von 1815 ist das Eichsfeld zweigeteilt – der größere Teil, bisher eigenständiger Landkreis in Thüringen, hat etwa 100.000 Einwohner. Der kleinere Teil, der etwa 40.000 Menschen zählt und als Mittelzentrum Duderstadt hat, gehört zum niedersächsischen Landkreis Göttingen. Vor dem Wiener Kongress war das Eichsfeld ungeteilt. „Ich habe nichts gegen den Unstrut-Hainich-Kreis, aber es geht mir um ein Signal an Erfurt, das die kulturelle Identität des Eichsfeldes gewahrt bleiben soll“, sagte Henning dem Rundblick.

In der Praxis wäre ein Wechsel des Thüringer Eichsfeldes an Niedersachsen schwierig, es müsste Volksabstimmungen und Staatsverträge geben. Die Frage wäre, ob das eher kleine Thüringen überhaupt den Verlust dieses Kreises verkraften könnte – oder dann womöglich selbst ein Fusionskandidat etwa für Sachsen oder Sachsen-Anhalt wäre. Auf der anderen Seite sind aber Gebietsveränderungen an Landesgrenzen, solange sie keine größeren Gebiete betreffen, auch nichts Ungewöhnliches. 1990 ist beispielsweise das Amt Neuhaus, bis dahin DDR-Gebiet, zu Niedersachsen gewechselt. Landrat Henning peilt nun zwar keine „Wiedervereinigung“ von West- und Ost-Eichsfeld auf niedersächsischem Boden an, erinnert aber an „die besondere geschichtliche Prägung“. Fast 1000 Jahre lang, von der ersten urkundlichen Erwähnung 897 bis zum Wiener Kongress, sei das Eichsfeld mit der überwiegend katholischen Bevölkerung vereint gewesen. Dann sei der eine Teil dem Königreich Hannover, der andere Preußen zugeordnet worden. 1918, nach Ende des Ersten Weltkriegs, sei in Heiligenstadt der Ruf „Nach Hannover!“ laut geworden, 1989 dann wieder. Am 20. Januar 1990 seien 40.000 Thüringer Eichsfelder mit ihren Koffern nach Duderstadt gezogen und hätten gerufen: „Wenn die Blumen wieder wachsen, gehören wir zu Niedersachsen.“ Dazu ist es dann allerdings nicht gekommen. Heute hätten zwei niedersächsische Parteien wohl ein großes Interesse an einem Wechsel des Thüringer Eichsfeldes zu Niedersachsen, die CDU und die Linke. Beide würden dann ein starkes Stimmpotenzial mitbringen.