Nicht zum ersten Mal hat der Landtag gestern über die Forderung nach einem „Paritätsgesetz“ diskutiert. Doch die Positionen haben sich seit der letzten Plenardebatte vor zwei Monaten mehr oder weniger deutlich verschoben. Die CDU, die sich im Januar noch offen für verschiedene Varianten zeigte, präsentierte sich in dieser Woche nun hartleibiger.

Gleich viele Frauen wie Männer? Davon ist der Niedersächsische Landtag weit entfernt. – Foto: MB.

Die FDP hingegen, die bisher intern keine Regel für ein Frauenquorum hat, gab sich jetzt wesentlich beweglicher. Überraschend unterstützten die Freien Demokraten sogar die Forderung der Grünen-Landtagsfraktion, eine Enquetekommission zur Vorbereitung eines Paritätsgesetzes einzusetzen. Die Idee hat trotz der neuen Einigkeit von Grünen und FDP keine Chance auf eine Mehrheit – SPD und CDU lehnen den Weg geschlossen ab.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder, die zu den Streitern für diese Regel zählt, sprach von der Notwendigkeit der Devise „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Damit ließ sie die Erwartungen auf eine baldige Verständigung in der Großen Koalition auf eine Wahlrechtsreform in Niedersachsen schrumpfen.

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Bisher hat nur der Brandenburger Landtag ein „Paritätsgesetz“ beschlossen. Dieses sieht vor, dass alle Parteien, die zur Landtagswahl antreten, künftig per Gesetz die Plätze auf ihrer Liste abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen müssen. Diese bisher freiwillig eingegangene Regel, die von Linken, Grünen und SPD schon angewandt wird, soll damit für alle verbindlich werden. Es gibt aber andere Formen eines „Paritätsgesetzes“. Eine andere Variante sieht vor, je Wahlkreis zwei Abgeordnete (einen Mann und eine Frau) zu entsenden – wozu aber ein Neuzuschnitt der Wahlkreise nötig wäre.

Der Vorschlag der hannoverschen Verfassungsjuristin Frauke Brosius-Gersdorf sieht vor, die Parteien zur Aufstellung jeweils einer Frau und eines Mannes als Wahlkreiskandidat zu verpflichten – die Wahl nur eines der beiden aber den Wählern zu überlassen. Auch bei den Listenkandidaten sollten die Wähler entscheiden können, wen sie in das Parlament schicken wollen. „Es gibt für jedes Modell ein Für und Wider. Wir haben uns ganz bewusst nicht festgelegt“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel. Eine Enquetekommission biete die Chance, die verschiedenen Wege vertieft zu diskutieren.


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Die SPD-Fraktionsvorsitzende Modder entgegnete, leider seien die FDP und auch der Koalitionspartner CDU „noch nicht so weit“, ein Paritätsgesetz zu befürworten. Einen Bedarf an wissenschaftlicher Debatte gebe es weniger, zumal verschiedene Modelle schon entwickelt worden seien. Aber wichtig sei, das Thema in den Parteien – auch in der SPD – intensiv zu besprechen. Marco Genthe (FDP) sagte, man brauche schon eine gute Begründung, wenn man in die bisher garantierte Geschlechterneutralität des Wahlrechts eingreifen wolle. Ob dies der im Grundgesetz verankerte Auftrag des Staates auf Förderung der Gleichberechtigung sein könne, müsse man gründlich prüfen. Daher befürworte die FDP den Vorschlag der Grünen, die möglichen Wege in einer Enquetekommission auszuloten.

Offensichtlich ist die FDP gerade dabei, die SPD in dieser Frage zu überholen.

Diese neue Position der Freien Demokraten verleitete Imke Byl (Grüne) zu der Bemerkung: „Offensichtlich ist die FDP gerade dabei, die SPD in dieser Frage zu überholen.“ Für die CDU trat diesmal Esther Niewerth-Baumann aus Oldenburg auf, die meinte: „Jede Art von Paritätsgesetz ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich.“ Im Januar noch, als Fraktionsvize Mareike Wulf für die CDU gesprochen hatte, klangen die Vorbehalte gegenüber dem Paritätsgesetz weniger hart und unbeweglich. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth blieb ihrer Rolle in der Debatte treu. Sie forderte: „Verschwenden Sie keine Steuergelder für diesen frauenfeindlichen Ideologieansatz. Erfolgreiche Frauen brauchen keine Quote – Schluss mit der Männerdiskriminierung!“