Von Niklas Kleinwächter

Die Bilanz, die Umweltminister Olaf Lies (SPD) am Donnerstag im Landtag verkünden musste, ist ernüchternd. Wurde der gesuchte Rodewalder Wolf bereits gefangen und getötet? „Nein“, sagt Lies. Wurden denn wenigstens mittlerweile andere Wölfe eingefangen und mit Sendern versehen, damit man sie besser im Blick behalten kann? „Nein, keiner“, sagt Lies. Der Wolf scheint sich für den Umweltminister zunehmend zur Belastung zu entwickeln, manch ein Abgeordneter spricht schon von „eklatantem Staatsversagen“. Wieso bekommt der Minister das Wolfsproblem nicht in den Griff?

Im Moment sind wir darauf angewiesen, Dritte für die eigentliche Entnahme heranzuziehen.

Die Suche nach dem Wolf aus dem Rodewalder Rudel, der mit der amtlichen Kennung GW717m ausgewiesen wird, geht erkennbar nicht voran. Seit Anfang des Jahres gibt es eine Sondergenehmigung, wonach der eine bestimmte Wolf „entnommen“, also schließlich getötet werden darf. Doch das gestaltet sich als nahezu unlösbare Aufgabe. Monat für Monat wird die Abschussgenehmigung erneut verlängert. Dem gesuchten Wolf war es wiederholt gelungen, Tiere zu reißen, die eigentlich ausreichend geschützt waren.

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Mit seinen Fähigkeiten scheint er bundesweit eine ziemliche Ausnahmeerscheinung zu sein. Mitarbeiter des zuständigen Umweltministeriums beschreiben ihn als etwas ganz Besonderes. Mittlerweile stellt sich nun allerdings die Frage, ob der Rüde seine besonderen Jagdtechniken nicht schon an die nächste Generation weitergegeben haben könnte. Genau deshalb soll er nun zum Schutz der Landwirtschaft zunächst fachmännisch eingefangen und dann getötet werden. Die Zeit drängt, vor allem die Schäfer klagen vehement. Aber warum gelingt es nicht, das Tier zu töten?

Zunächst wird es immer schwieriger, den einen bestimmten Wolf zu identifizieren – selbst wenn es gelingt, sein Rudel einmal zu erblicken. Die Jungtiere des vergangenen Jahres sind mittlerweile ähnlich groß wie der gesuchte Rüde. Mit dem bloßen Auge kann man ihn nicht von den anderen unterscheiden – und einen Sender trägt er nicht. Deshalb versucht das Umweltministerium seit geraumer Zeit, mithilfe eines externen Dienstleisters den Wolf einzufangen, um anschließend mithilfe einer DNA-Probe sicherzustellen, dass man auch den richtigen Wolf gefangen hat.

Kein einziger Wolf geht in die Falle

Doch einen Wolf zu fangen, ist nicht so einfach, wie Lies auch am Donnerstag im Landtag wieder eingestehen musste. Seit Dezember 2018 versucht etwa die Tierärztliche Hochschule Hannover im Auftrag des Umweltministeriums, Wölfe mithilfe von Kasten- oder Schlingenfallen oder sogenannten Soft-Catch-Traps einzufangen, um sie anschließend mit Sendern zu versehen und wieder freizulassen. Man habe das an mehreren Plätzen und in verschiedenen Nächten probiert. „Der Erfolg ist gleich Null“, musste Lies aber eingestehen. Es gelingt also nicht nur nicht, den einen bestimmten Wolf zu fangen. Es geht kein einziger Wolf in die Falle.

Wir müssen sicherstellen, dass eine falsche Entnahme nicht auf den Rücken der Jäger ausgetragen wird.

Um dem Wolf nun doch noch Herr werden zu können, setzt Umweltminister Lies auf die Unterstützung der Jäger. „Im Moment sind wir darauf angewiesen, Dritte für die eigentliche Entnahme heranzuziehen. Die Jäger aus dem jeweiligen Revier kennen sich aber deutlich besser aus.“ Die mangelnde Ortskenntnis der externen Dienstleister ist wohl ein Problem. Lies sucht deshalb das Gespräch mit dem Präsidenten der Landesjägerschaft, Helmut Dammann-Tamke (der im Übrigen gleichzeitig CDU-Landtagsabgeordneter ist).

Aktuell zeigen die ortskundigen Jäger noch wenig Interesse daran, die Verantwortung für die Tötung eines Wolfes zu übernehmen. Und selbst wenn sie wollten, dürften sie es bislang nicht. Die erste Hürde, die für die Einbeziehung der Jäger also genommen werden müsste, wäre die Überführung des Wolfes ins Jagdrecht. Würde er dort auftauchen, wären die Jäger zunächst einmal formal zuständig. Dort könnte der Wolf dann immer noch mit einer ganzjährigen Schonzeit versehen werden. Eine normale Jagd könnte es so dann immer noch nicht geben, das ist auch Umweltminister Lies wichtig.

Nächster Schritt: Rechtssicherheit für Jäger

Der nächste Schritt wäre dann aus Sicht des Ministers, die Rechtssicherheit beim Eingreifen der Jäger zu gewährleisten. „Wir müssen sicherstellen, dass eine falsche Entnahme nicht auf den Rücken der Jäger ausgetragen wird“, sagte Lies dazu am Donnerstag im Landtag. Wenn also ein Jäger versehentlich den falschen Wolf erschießt, soll ihn juristisch keine Schuld treffen. Deshalb hoffe Lies auf neue Regelungen in Berlin. Dazu wäre es etwa hilfreich, wenn im Bundesnaturschutzgesetz festgelegt würde, dass nicht mehr nur ein bestimmter Wolf aus einem Rudel entnommen werden darf, sondern dass ganze Teile eines problematischen Rudels von den Jägern getötet werden dürften.

So entfiele die langwierige Suche und es könnte sichergestellt werden, dass einem Jäger nicht das Töten eines falschen Wolfes zur Last gelegt würde. Niedersachsen versuche gemeinsam mit Sachsen und Brandenburg hier Bewegung ins Verfahren zu bringen, erklärte Lies. Wenn diese Regelung auf Bundesebene getroffen wurde, möchte er sie dann auch in eine Wolfsverordnung für Niedersachsen übernehmen. Doch der Staat laufe hier dem notwendigen Handlungsdruck hinterher, sagte Lies. „Der Handlungsbedarf ist größer, als Berlin bereit ist, Veränderungen vorzunehmen.“

In der kommenden Woche soll sich das Bundeskabinett mit dem Wolf beschäftigen. Sollten dann bald die juristischen Hürden genommen sein, blieben aber immer noch zwei Fragen offen: Gelingt es den Jägern dann wirklich, das enorm große Wolfsrevier systematisch zu bejagen? Und zeigt sich die Gesellschaft einsichtig, dass Jäger unter bestimmten Bedingungen Wölfe töten dürfen? Beides bleibt ungewiss.