Im sächsischen Schkeuditz bei Leipzig tritt am 26. und 27. Juni der 87. Deutsche Bauerntag zusammen. Die Landwirte fordern von der Politik mehr Verlässlichkeit und klare Antworten auf drängende Fragen. Im Interview mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter kritisiert Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke, dass die Politik „entscheidungsscheu“ sei.

Rundblick: Eine verschärfte Düngeverordnung aufgrund der hohen Nitratbelastung, Kritik an Tierhaltung und Lebendtiertransporten, ein größeres Interesse am Pflanzen- und Umweltschutz. Der gesellschaftliche Druck auf die Landwirtschaft wächst – wächst er Ihnen über den Kopf?

Schulte to Brinke: Das Hauptproblem ist, dass viele Themen nicht abgearbeitet werden. In der Sauenhaltung sind das zum Beispiel die drei K-Fragen: Kastration, Kastenstand und Kupieren. Seit Jahren tragen wir das mit uns rum. Dass wir zu keinem Abschluss kommen, liegt zum Teil an der Komplexität der Themen. Es liegt aber auch daran, dass die Politik entscheidungsscheu ist.

Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter und Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke – Foto: Gabi von der Brelie

Rundblick: Muss die Politik also verlässlicher auftreten und sagen, wo es langgeht?

Schulte to Brinke: Verlässlichkeit ist ein ganz wichtiges Thema. Das merken wir gerade bei den nur zäh laufenden Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel, oder auch wieder bei der Sauenhaltung. Es gab zum Beispiel ein Gerichtsurteil zum Kastenstand, das wurde jetzt einfach ausgeweitet auf den Abferkelbereich. Wenn sich die Rechtsprechung ändert, müssen die Sauenhalter die Gebäude umbauen. Investitionen müssen sich aber auch langfristig lohnen und die Gebäude sind erst nach 20 Jahren abbezahlt. Für einen Umbau müssen erneut Baugenehmigungen eingeholt werden, ändern sich in der Zwischenzeit die Rahmenbedingungen, wird der Umbau nicht automatisch genehmigt. Umweltrecht steht dann dem Tierwohl entgegen. Das führt zu Frust bei den Sauenhaltern und schließlich zur Aufgabe ganzer Betriebe. Dann kommen die Ferkel woanders her, wo wir die Bedingungen gar nicht mehr kontrollieren können.

Rundblick: Eine klare Ansage aus der Politik droht Ihnen mit der Vorgabe, den Düngeeinsatz in nitratsensiblen Gebieten um 20 Prozent zu reduzieren. Das gefällt den Landwirten aber nicht…

Schulte to Brinke: Es ist unstrittig, dass es in Niedersachsen Gebiete mit einem deutlichen Nitratüberschuss gibt. Wir setzen uns aber dafür ein, dass ganz konkret die roten Messstellen angeschaut und die Ursachen betrachtet werden. Eine pauschale Reduzierung in ausgewiesenen Gebieten würde zu einer Unterversorgung der Kulturpflanzen führen und schließlich einen Humusabbau zur Folge haben. Wenn wir an unsere Klimaziele denken, wäre das kontraproduktiv, denn dadurch würde Kohlendioxid freigesetzt.

Wenn die Gesellschaft eine bestimmte Leistung haben will, muss sie diese honorieren.

Rundblick: Die Europawahlen und auch die Kommunalwahlen in Niedersachsen haben gezeigt, dass die Grünen im Kommen sind. Muss sich die Landwirtschaft mehr um Umweltschutz kümmern?

Schulte to Brinke: Die Wahlerfolge der Grünen zeigen, wie wichtig Umweltfragen den Menschen sind. Uns sind sie auch sehr wichtig – das geht aber nicht für lau. Wenn die Gesellschaft eine bestimmte Leistung haben will, muss sie diese honorieren. Landwirte leben von der Fläche, die sie bewirtschaften. Wenn die Flächen anderweitig genutzt werden, zum Beispiel für Blühwiesen oder Feldlerchenfenster, dann muss sich das auch lohnen.

Rundblick: Wie soll das denn bezahlt werden?

Schulte to Brinke: Wir haben gute Erfahrungen in der Region Hannover gemacht. Dort hat man im Haushalt Geld für Naturschutzprogramme in der Landwirtschaft bereitgestellt. In diesem Jahr sind die Mittel sogar doppelt überzeichnet. Das zeigt: Wenn es bezahlt wird, ziehen die Landwirte mit. Die Vertragsbestimmungen müssen stimmen und man muss vernünftig ins Gespräch kommen. Ich finde, das muss auf kommunaler Ebene geregelt werden, da ist man näher dran. Wo man die Landwirte noch persönlich kennt, identifiziert man sich auch mehr damit. Es gibt auch Landwirte, die sammeln Spenden zum Beispiel in Höhe von 50 Cent für einen Quadratmeter Blühfläche. Dabei geht es auch darum, ein Problembewusstsein bei den Menschen zu schaffen: Wenn ich Veränderungen will, muss ich dafür Geld in den Topf tun.


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Rundblick: Eine Finanzierungsquelle für Umweltprogramme sind also Kommunen, eine andere die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP). Im nächsten Jahr soll die reformiert werden. Wie geht es da weiter?

Schulte to Brinke: Die GAP ist für uns extrem wichtig. Wir hoffen, dass die Kommission jetzt nach der Europawahl bald wieder anfängt zu arbeiten und es mit den Reformplänen vorangeht. Wir bauen weiterhin auf eine starke erste Säule. Sie ist notwendig, um das Einkommen der Landwirte auszugleichen. Nur so können wir auch im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Die Grenzen sind heute so durchlässig geworden, dass Deutschland mit Ländern wie Brasilien konkurriert. Unsere Umweltstandards sind aber deutlich höher als dort. Deshalb sind die Subventionen notwendig, damit unsere Betreibe auch international konkurrenzfähig bleiben. In konventionellen Betrieben machen die EU-Gelder im Schnitt 50 Prozent des Einkommens aus, in Bio-Betrieben noch deutlich mehr.

Rundblick: Wenn wir aber mehr Umweltschutzprogramme wollen, müsste doch gerade die zweite Säule der GAP aufgestockt werden, die Mittel für zusätzliche Naturschutzmaßnahmen bereitstellt.

Schulte to Brinke: Die zweite Säule kann bislang nicht einkommenswirksam eingesetzt werden. Das heißt, sie gleicht nur Mehrausgaben aus, die ein Landwirt für den Umweltschutz aufbringt. Der Landwirt kann darüber leider kein Einkommen generieren. Das könnte sich vielleicht über die neuen Eco-Schemes ändern. Sie sollen aus der ersten Säule finanziert werden und könnten finanzielle Anreize setzen, die über die Erstattung der angefallenen Kosten hinausgehen. Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass sich diese Einsicht mittlerweile durchsetzt und Biodiversität als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen wird. Die Politik muss nun mit den Landwirten ins Gespräch kommen. Gemeinsam müssen wir überlegen, mit welchen Angeboten die von der Gesellschaft gestellten Erwartungen erfüllen werden können.