Soll das Land den Jugendämtern der Gemeinden und Landkreise strenger auf die Finger schauen, wenn dort Vereinbarungen zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge festgelegt werden? Diese Frage hat nach Informationen des Politikjournals Rundblick in der jüngsten Sitzung der Landesregierung vorgestern einen kurzen Disput zwischen den Koalitionspartnern ausgelöst. Die CDU plädiert dafür, dass das Land die Möglichkeiten der Kontrolle der Kommunen ausweiten soll. Die SPD und das zuständige Sozialministerium wollen aber darauf verzichten. Sie setzten sich in der Beschlussfassung über einen Gesetzentwurf durch. In dieser Frage hat es im vergangenen Jahr einen Meinungswandel bei den Sozialdemokraten gegeben. Noch Anfang 2017, in der rot-grünen Regierungszeit, hatte ein Gesetzentwurf der damaligen Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) eine stärkere Einflussnahme des Landes auf die Kommunen vorgesehen. In den anschließenden Ausschussberatungen war der geplante Passus aber wieder fallen gelassen worden. Zuvor hatten sich die Kommunalverbände seinerzeit bitter beschwert über Rundts Pläne. Das Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches war dann wegen der vorgezogenen Landtagsneuwahl nicht mehr verabschiedet worden.

Minderjährigkeit schützt vor strenger Asylprüfung

Es geht um die derzeit etwa 5000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Niedersachsen leben. Die meisten von ihnen waren 2015 hierher gekommen, in den Folgejahren hatte sich der Zustrom verringert. Seit langer Zeit schon wird darüber debattiert, ob es sich wirklich in allen Fällen um Minderjährige handelt oder ob einige von ihnen eine falsche Altersangabe hinterlassen hatten. Die Minderjährigkeit schützt vor der strengen Überprüfung der Asylberechtigung, außerdem wird damit eine Unterbringung in Heimen und Unterstützung gewährleistet. Zuständig sind in Niedersachsen die Kommunen als Träger der Jugendhilfe, sie lassen sich ihre Kosten für diesen Bereich allerdings vom Land vollständig erstatten. Als Finanzminister Reinhold Hilbers zu Jahresbeginn die Eckdaten für den Nachtragshaushaltsplan präsentierte, wurde eine Nachforderung der Kommunen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Höhe von 113 Millionen Euro bekannt. Damit steigen die Ausgaben, die das Land für die Betreuung dieser Gruppe aufwenden muss, auf mehr als 310 Millionen in diesem Jahr an. 2012 hatte der Betrag noch bei 28 Millionen Euro gelegen. Die CDU-Landtagsfraktion hatte wiederholt angemahnt, alle Möglichkeiten der Kostenbegrenzung zu prüfen – auch die Frage, ob bei Zweifeln an der Altersangabe der Betroffenen eine medizinische Untersuchung zwingend angeordnet werden soll.

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2017 hatte die damalige Sozialministerin Rundt empfohlen, dass das Landesjugendamt auf eigenen Wunsch am Tisch sitzen dürfen soll, wenn die Jugendämter mit ihren Trägern über den Umfang der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge und die Art der Unterbringung entscheiden. Das sei geboten, da das Land schließlich ja auch für alle Kosten aufkommen muss. Daraufhin hatte die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalverbände protestiert – hier komme „Misstrauen gegenüber den Trägern der Jugendhilfe zum Ausdruck“. Die Kompetenz der örtlichen Jugendhilfeträger dürfe nicht angezweifelt werden. Dieser Linie schließt sich das Sozialministerium jetzt an. Zur Begründung wurde angeführt, dass im Bundesrat ein Gesetzentwurf liege, der strengere Kriterien für die Betreuung dieser Fälle vorsehe. Von der CDU-Seite wird die Argumentation des Sozialministeriums aber angezweifelt – der angesprochene Bundesgesetzentwurf werde seit Monaten in den politischen Gremien in Berlin blockiert. Rundts Nachfolgerin Carola Reimann vertrat die neue Rechtsposition des Sozialministeriums in der Kabinettssitzung vor zwei Tagen nicht, sie fehlte krankheitsbedingt. Vertreten wurde sie durch ihren Staatssekretär Heiger Scholz. Kurios am Rande ist, dass Scholz derjenige war, der 2017 noch in seiner alten Rolle als Hauptgeschäftsführer des Städtetages den Protest der Kommunen gegen Rundts damaligen Gesetzentwurf unterzeichnet hatte.