Wer in den Ministerien eine Spitzenposition als Abteilungsleiter oder Vize-Abteilungsleiter einnimmt, bekommt dieses zunächst nur vorläufig übertragen. Nach zwei Jahren muss entschieden werden, ob sich der Betreffende in der neuen Funktion bewährt hat und diese dann auf Dauer ausüben darf. In 99 Prozent aller Fälle läuft das automatisch und von der Öffentlichkeit unbemerkt. Jetzt aber kommt es offenbar zu einer der ungewöhnlichen Ausnahmen. Der Leiter der Mittelstandsabteilung im Wirtschaftsministerium, Ralf Borchers, soll nach dem Willen der Hausspitze nicht auf dieser Position bleiben, sondern von seiner bisherigen Position (B6) auf seine vorherige als Referatsleiter (B2) zurückfallen. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick ist Borchers das gestern von Staatssekretär Berend Lindner offenbart worden. Bevor die Nicht-Verlängerung wirksam werden kann, muss aber noch das Kabinett aus SPD- und CDU-Ministern zustimmen. Borchers ist in der SPD aktiv und war unter Althusmanns Vorgänger Olaf Lies zum Abteilungsleiter befördert worden.

Angeblich soll zwischen Minister Althusmann und dem Chef der Mittelstandsabteilung kein Vertrauensverhältnis mehr bestehen. Dies hat mehrere Gründe. Gegen Borchers war im Zusammenhang mit der sogenannten „Vergabeaffäre“, die sich um Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben im Wirtschaftsministerium drehte, ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Das hing damit zusammen, dass der damalige Pressesprecher, dem massive Vorwürfe gemacht wurden, dem seinerzeit von Borchers geleiteten Ministerbüro zugeordnet war. Für Diskussionen sorgte im Frühjahr 2017 die Auftragserteilung an die hannoversche Werbeagentur Neoskop für die Betreuung der Website des Landes.

Als es jetzt in diesem Zusammenhang wieder um einen neuen Auftrag ging, soll wieder Neoskop zum Zuge gekommen sein – auf Grundlage einer Entscheidung von Borchers. Zwar liegen hier offenbar keine Unregelmäßigkeiten vor, aber die Spitze des Ministeriums behauptet, Borchers hätte wegen der politischen Brisanz frühzeitig einen Hinweis an den Minister geben müssen, er habe dies aber unterlassen. Borchers selbst weist die Kritik zurück: Mit dieser Vergabeentscheidung sei hauptsächlich die fachliche Stelle im Innenministerium befasst gewesen, und es sei auch erst spät klar geworden, dass Neoskop Gewinner werden würde. Eigene Versäumnisse sieht er nicht.

Die Spitze des Ministeriums ist außerdem unzufrieden mit der Art und Weise, wie Borchers als Aufsichtsratsvorsitzender der Tourismusmarketing-Gesellschaft handelte. Borchers selbst reagiert darauf gegenüber dem Rundblick: „Ich halte die Vorwürfe für unberechtigt und konstruiert, sie sollten offenbar ein gewolltes Ergebnis erzielen. Dabei hatte ich bisher den Eindruck, mit der politischen Leitung sehr positiv zusammenzuarbeiten. Ich bin überrascht und enttäuscht.“


Lesen Sie auch:

Jäger mit neuer Aufgabe im Wirtschaftsministerium

Spreen steigt auf


Unterschiedliche Darstellungen gibt es über die Frage, ob der Beamte für alternative Aufgaben, etwa an der Spitze landeseigener Gesellschaften, in Betracht kommen kann. Während es aus dem Ministerium heißt, Borchers habe dies abgelehnt, heißt es von Borchers, der Staatssekretär habe die laufenden Gespräche über andere Verwendungsmöglichkeiten gestern abgebrochen. Das letzte Mal, dass eine Zurückstufung von Abteilungsleitern in Ministerien große öffentliche Aufmerksamkeit erregte, damals noch unter etwas anderen beamtenrechtlichen Rahmenbedingungen, liegt zwölf Jahre zurück. Damals hatte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) mehrere SPD-nahe leitende Beamte in seinem Ministerium abgelöst und zurückgestuft.